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  /  2023   /  Spaziergang: „Monaco Franze“

Spaziergang: „Monaco Franze“

„So Innenstadt-Randbezirk“

Ein Faschingsumzug durch Helmut Dietls München-Serie „Monaco Franze“

Es ist Fasching und Helmut Dietls Kult-Serie wird 40 – also die beste Zeit, die legendäre Faschingsfolge nochmal zu sehen und mit dem Monaco durch seine Viertel zu ziehen: ein Spaziergang durch das München der Serie „Monaco Franze“.

An Fasching kann sich der ehemalige Kriminalkommissar Franz Münchinger kaum vor Aufträgen retten. In seiner neu in der Münchner Sonnenstraße eingerichteten Privatdetektei „Monaco“ geben sich verzweifelte Ehefrauen und besorgte Liebhaber die Klinke in die Hand. Zum Kostümball aufgebrochen, sind ihre Liebsten einfach seit Tagen verschwunden. Der Monaco Franze, wie ihn alle nur nennen, sammelt Fotos in einem Schuhkarton, bugsiert die Kundschaft wieder zur Tür hinaus und macht sich selbst für den Feierabend fertig. Er steht schon im Seeräuber-Outfit in seinem Büro und spricht natürlich aus eigener Erfahrung, wenn er einem aufgewühlten Mann rät: „Warten’s bis Aschermittwoch, bis dahin sind noch immer alle wieder heimgekommen.“ Er selbst nämlich auch.

Der Monaco Franze ist zum Münchner Kleinod geworden, seitdem er 1983 zum ersten Mal über die Fernsehbildschirme strawanzte. Der ewige Stenz und sein Spatzl sind das ungleiche Traumpaar in Helmut Dietls Serie. Was wäre sein „Schau, wia I schau,“ mit dem er sie nach seinen nächtlichen Eskapaden – der Fasching ist nur einer von vielen Anlässen –  immer wieder bezirzt, ohne ihre elegant-pikierten und doch stolzen Blicke. Die beiden machen Dietls Serie zur Liebeserklärung an ein Lebensgefühl irgendwo zwischen Schwabinger Bussi-Bussi-Gesellschaft und dem bodenständigen Laissez-faire des Münchner Westends.

Das Beste aus zwei Welten

Die Drehbücher über den unsteten Lebenswandel des Kriminalbeamten Münchinger schrieb Dietl gemeinsam mit Patrick Süskind. Die beiden lesen München als soziale Topographie und kulturelle Landkarte, wobei der Monaco sich natürlich weit weg von der Hochkultur verorten würde, die seine Frau Annette so schätzt. Er stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen: „Kultur war für uns, wenn einer sauber gwaschn war.“

Gleich am Anfang der Serie, in der Folge „A bissel was geht immer“ steht der Monaco mit seinem Kumpel und Polizei-Kollegen Manni Kopfeck vor einer Landkarte der Stadt München. Er sinniert darüber, in welchem Viertel eine Frau wohnen könnte, die ihn am Vorabend abblitzen ließ. Sie habe „so nach Innenstadt-Randbezirk“ ausgeschaut, „Berg am Laim, Harras, Sendling, Waldfriedhof. Haidhausen wäre möglich, aber da wohnen jetzt ganz andere Leute. Also eher Goetheplatz, Lindwurmstraße, Harras.“ Er ist ihr natürlich auch aufgefallen, auch wenn sie so getan hat als ob nicht. „Grünwald, Harlaching, oder noch wie Bogenhausen,“ so habe er ausgesehen, erzählt sie einer Arbeitskollegin. „A einsamer Mensch, bisserl traurig.“ Wirtshaus-Existenzialismus und Küchen-Psychologie gehören in „Monaco Franze“ immer zusammen.

Gegensätze ziehen einander bekanntlich an: der Stenz und sein Spatzl (c) Balance Film / BR

Münchingers München zwischen Kultur und Kulisse

Die Münchner Stadtviertel spielen eine Hauptrolle in den zehn Folgen und ihr Charme ist auch heute noch an einigen Orten spürbar, die eng mit der Serie verbunden sind. Entlang der Wege, auf denen der Stenz durch die Serie flaniert, torkelt und stakst, lassen sich einige Dreh- und Entstehungsorte entdecken.

Begleitet man den Franz auf seinen Faschingsumzug, startet man mit ihm in der Sonnenstraße 20. Das Haus, in dem sich die Detektei „Monaco“ befand, steht auch heute noch – unscheinbar und grau, aber nur einen kurzen Fußmarsch vorbei an den City Kinos, über den Stachus in Richtung Norden gelangt man zu seinem ehemaligen Arbeitsplatz im Polizeipräsidium in der Ettstraße 2-4. Hinter hohen Eisentoren ragt der hellgrüne Gebäudekomplex aus dem Jahr 1913 mit Muschelkalkportal, Freskomalerei und schweren Holztüren empor. Hier will der Franz in voller Seeräuber-Montur seinen Kumpel Manni zum Faschingsball abholen – der ist allerdings im Stress wegen der auch bei ihm als vermisst gemeldeten Karnevalist:innen.

Dem Maskenball der Opern-Schnösel entkommt der Monaco zum Glück, das Kostüm war eh zu eng (c) Balance Film / BR

Schicksalsort Schwabing

Die Feierei holen die beiden am Wochenende nach. Der schlimmste Schnupfen kann den Monaco Franze nicht vom Faschingsball abhalten: „Komisch, ge? Da kannst krank sein wiest mogst und immer noch lockt das Weib.“ Nach einer mäandernden Odyssee durch die Münchner Innenstadt landen die beiden in der Max Emanuel Brauerei in der Adalbertstraße 33, auf der Rückseite der Universität.

Folgt man den beiden Feierwütigen auf dem Stadtplan, sieht man sie auf dem Weg dorthin den Odeonsplatz passieren. Bei einem Abstecher in die Fürstenstraße 10 käme man am immer noch erkennbaren Ladengeschäft vorbei, das in der Serie das „Antiquariat von Soettingen“ beherbergt, in dem Annette mit Grandezza Kunstgegenstände verkauft und immer wieder versucht, ihren Franzl zur Räson zu bringen. Gleich ums Eck im Hofgarten der Residenz werden die beiden sich nach einer dramatischen Trennung wiederfinden. Sie hatte sich in der Altersresidenz auf den Bermudas zu Tode langweilt: „Da stehst Du in der Früh auf und schon wieder scheint die Sonne. Das ist so deprimierend, ich kann‘s Dir gar nicht sagen.“ Er war als obdachloser Sandler von Stehausschank zu Stehausschank getingelt, hat im Suff Mannis Wohnung abgefackelt und merkt erst jetzt, was er an ihr hatte.

„Wenn man’s nicht selber erlebt hat, glaubt man’s fast selbst nicht“

Aber der Reihe nach, denn von dieser tragikomischen Wendung wissen zum Fasching weder der Stenz und sein Spatzl noch der Manni. Deshalb lassen Manni und Monaco den Odeonsplatz erstmal links liegen und feiern natürlich bis in die Morgenstunden in der Brauerei. Hin und hergerissen ist der Monaco zwischen seiner schon lange angebeteten Lilly und der vernünftigen Lösung – vor Annette zuhause zu sein.

Einen vergessenen Haustürschlüssel, diverse Polonaisen und einen Abstecher zur Lilly später wankt der Monaco heim und überlegt sich, wie er seiner Frau erklärt, dass er sich die ganze Nacht um die Ohren geschlagen hat statt sie auf einen Maskenball ihres Opernzirkels zu begleiten. „Spatzl, es gibt Sachen im Leben und besonders im Fasching, die wenn man’s nicht selber erlebt hat, glaubt man’s fast selbst nicht,“ sagt er sich vor und ist dann doch nicht mehr ganz sicher. Da hat er aber noch nicht damit gerechnet, dass Annette einfach mal den Spieß umdreht und erst drei Tage später nach Hausekommt. „Du weißt Doch Franz, wenn ich zu viel getrunken habe, dann gibt es diesen Moment, da macht es einfach ‚Bumm!‘“ kichert sie und schlägt den Hallodri mit seinen eigenen Waffen.

Die beiden Helmuts im Café

Das Schwabinger Wohnhaus in der Agnesstraße 16, in dem das Serienpaar lebt, ist auch heute noch erhalten  – nur einen Steinwurf entfernt wohnte Helmut Dietl selbst über Jahrzehnte an der Ecke Ainmiller- und Römerstraße. In Schwabing lernte er auch seinen Hauptdarsteller Helmut Fischer kennen – im Café Münchner Freiheit, wo die beiden sich bis zu Fischers Tod 1997 oft trafen. Dem Schauspieler schrieb er die Rolle auf den Leib.

Zwischen den Kaffee trinkenden und Eisbecher löffelnden Gästen sitzen sie auch heute noch überlebensgroß – gesehen und gesehen werden ist weiterhin die Devise im Herzen von Schwabing: Eine Bronzestatue für Helmut Fischer lächelt an einem eigenen Cafétisch verschmitzt in die Runde. Seit 2022 leistet ihm nun auch das Denkmal für den 2015 verstorbenen Dietl Gesellschaft. Ob die beiden auch für einen der bunten Krapfen in der Auslage der Konditorei zu begeistern waren, ist nicht überliefert – zu Fasching stellt man es sich gerne vor, wie sie mit einem davon in der Hand hier sitzen und über alles und nichts ratschen.