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Blauer Panther

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Porträt: Luna Wedler

Die Grenzgängerin

Das Projekt „Ich bin Sophie Scholl“ ist nur eines von vielen, mit denen sich Luna Wedler als eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation empfiehlt

Luna Wedler schlüpft für das Instagram-Projekt @ichbinsophiescholl in die Rolle der Widerstandskämpferin Sophie Scholl (c) SWR/BR/Sommerhaus/Rebecca Rütten

Sie war bereits ein European Shooting Star auf der Berlinale und wurde sowohl in ihrer Schweizer Heimat als auch in Deutschland mit zahlreichen Preisen bedacht. Mit dem nicht unumstrittenen Projekt „Ich bin Sophie Scholl“ hat Luna Wedler nun erneut bewiesen, dass ihr keine Herausforderung zu groß ist.

Das Projekt @ichbinsophiescholl, ein Social Media-Experiment mit enormer Fallhöhe, darf trotz aller kontroversen Reaktionen , die es hervorrief, als voller Erfolg gelten. Das hat einen Grund: Luna Wedler. Mit umgeschnalltem Gürtel und Kamerastativ als Hauptdarstellerin und Kamerafrau in Personalunion machte sie auf Instagram die letzten zehn Monate im Leben der Studentin und Widerstandskämpferin greifbar, nicht als trockene Geschichtsstunde, sondern mit den Mitteln einer modernen Influencerin. Einen „Glücksgriff“, nennt sie die Jury des Blauen Panthers in dieser Rolle, „reflektiert, glaubwürdig und mitreißend.“ Sie ist dieses Jahr als beste Schauspielerin für den Award nominiert.

Der rasante Aufstieg Wedlers zu einer der gefragtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum, ist dabei eigentlich bloß einem Zufall geschuldet: „Ich weiß bis heute eigentlich nicht, warum ich damals mit 14 Jahren zum ersten Mal zu einem Casting gegangen bin“, lacht die Zürcherin im Videotelefonat. „Irgendetwas hat mich da offenkundig hingezogen. So als habe es da eine schlummernde Leidenschaft gegeben, die ich dann entdecken durfte – und sie mich.“

In @ichbinsophiescholl holt Luna Wedler die Widerstandskämpferin aus den Geschichtsbüchern ins Hier und Jetzt. (c) SWR/BR/Sommerhaus/Rebecca Rütten

„Dieses Adrenalin, wenn man in die Gefühlswelt einer anderen Person abtaucht, das begeistert mich an diesem Beruf bis heute.“

Das Ergebnis dieses ersten Vorsprechens war prompt eine Rolle im Film „Amateur Teens“ (2015) von Niklaus Hilber. Und damit auch der Beginn einer ungewöhnlichen Sucht, wie Wedler selbst sagt: „Wir hatten damals eine Woche lang Proben und Coaching, und die Schauspiellehrerin machte Übungen mit uns, die mich anfangs vollkommen fertig gemacht haben. Ich wusste überhaupt nicht, was mit mir passierte. Das ging wie eine Welle durch mich hindurch. Dieses Adrenalin, wenn man in die Gefühlswelt einer anderen Person abtaucht, das begeistert mich an diesem Beruf bis heute.“

Zur Grenzgängerin wurde die junge Schauspielerin schnell. Nicht lange nach dem Debüt übernahm sie – parallel zu einem Studium an der European Film Actor School in ihrer Heimatstadt – die Hauptrolle in Lisa Bühlmanns sehr besonderem Coming-of-Age-Film „Blue My Mind“ (2018), wurde mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet und drehte fortan weniger in der Heimat als im benachbarten Deutschland. Der nächste logische Schritt, findet Wedler, nicht nur, weil der heimische Markt einfach sehr viel kleiner ist, sondern auch sie selbst zur Hälfte Deutsche.

Luna Wedler und Regisseur Tom Lass bei den Dreharbeiten zu @ichbinsophiescholl (c) SWR/BR/Sommerhaus/Rebecca Rütten

„Plötzlich bekannt und erfolgreich zu sein, ist ja eher nichts, was man sich aussucht.“

Aron Lehmann gab ihr die Titelrolle in seiner gefeierten Komödie „Das schönste Mädchen der Welt“, (2018) wofür sie unter anderem den New Faces Award und den Günther-Rohrbach-Filmpreis gewann. Es folgten weitere große Auftritte in den Bestseller-Verfilmungen „Dem Horizont so nah“ und „Auerhaus“, die Hauptrolle in der bislang zwei Staffeln umfassenden Netflix-Serie „Biohackers“ und schließlich eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis für das weltweit beachtete Drama „Je Suis Karl“ von Christian Schwochow.

Dass bei so viel Erfolg in so kurzer Zeit die Gefahr des Abhebens droht, ist Wedler durchaus bewusst: „Das geht verdammt schnell und passiert Kolleg:innen immer wieder. Plötzlich bekannt und erfolgreich zu sein, ist ja eher nichts, was man sich aussucht, auch wenn das eine Art von Anerkennung und Bestätigung ist. Für mich stehen aber nur die Leidenschaft für den Beruf und das Interesse an den Figuren im Vordergrund, nicht das Drumherum.“ Freunde und Familie, die mit der Branche nichts zu tun haben, sind dabei eine große Hilfe, schiebt sie hinterher. „Und dass ich immer noch in Zürich lebe. Das ist mein Versteck, in das ich immer zurückkommen kann, und wo ich einfach bloß Luna bin.“

Die Grenzgängerin: Luna Wedler taucht gerne in die Gefühlswelt ihrer Figuren ab. (c) Samy van Bruklen

Zwischendurch auch beruflich nach Hause zu kommen und mal wieder auf Schwyzerdütsch zu drehen, ist auch eine große Freude, sei es für „Soul of a Beast“, der 2021 in Locarno Weltpremiere feierte und zahlreiche Schweizer Filmpreise gewann, oder ein neues Projekt, das noch in diesem Jahr entstehen wird. Ansonsten richtet Wedler ihr Augenmerk verstärkt auch auf andere Sprachräume.

„Ich hoffe sehr, bald etwas in England drehen zu können“, freut sich die Schauspielerin, die im Oktober 23 Jahre alt wird.  Mit einem Sprachcoach arbeitet sie bereits an ihrem Englischt. „Ich mag das britische Kino einfach total gerne. Dieser schwarze Humor und Sarkasmus sind genau mein Ding.“ Erste internationale Erfahrungen hat sie ohnehin schon gesammelt: Bei der Ehrung als European Shooting Star bei der Berlinale 2018 etwa lernte sie die ungarische Regisseurin ldikó Enyedi kennen, die ihr eine Rolle in „Die Geschichte meiner Frau“ gab. Eine Abkehr von deutschsprachigen Produktionen ist trotzdem nicht zu befürchten. Im Herbst 2022 startet endlich der in unzählige Länder verkaufte Berlinale-Beitrag „Der Passfälscher“ in hiesigen Kinos, auch Lehmanns Roman-Adaption „Was man von hieraus sehen kann“ oder „Bachmann & Frisch“, das mit Spannung erwartete neue Projekt von Margarethe von Trotta, sind bereits abgedreht.

Während Landesgrenzen für Wedler in der Arbeit unwichtig sind, hat sie die eigenen fest im Blick. Um sie dann hinter sich zu lassen, „Ich gehe in meinen Rollen einfach wahnsinnig gerne über meine Grenzen hinaus“, fasst sie zusammen. „Es ist einfach krass, was alles aus einem herauskommen kann, von dem man gar nicht wusste, dass es in einem steckte. Und damit meine ich nicht große Emotions- oder Wutausbrüche. Im Gegenteil! Eines der schwierigsten Dinge im Schauspiel ist es schließlich, nichts zu tun.“ Angst davor, sich zu viel zuzumuten hat sie ohnehin nicht, geschweige denn vor den Diskussionen, die etwa ein Projekt wie@ichbinsophiescholl auslösen könnte: „Angst habe ich eigentlich nur vor dem Gefühl, ich könnte mich wiederholen.“ Doch danach sieht es aktuell ja so gar nicht aus.