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Hintergrund: “Juan Carlos – Liebe, Geld Verrat”

Königlicher Fall

In der Doku-Serie über Spaniens Ex-König berichten Wegbegleiter sowie Kritiker von Juan Carlos I. von Erfolgen, Affären, Korruptionsvorwürfen und den Umständen seiner Abdankung. (c) Daniel Ochoa de Olza

Dokumentar-Spezialist Christian Beetz gelingt mit der Vielstimmigkeit des Mehrteilers „Juan Carlos – Liebe, Geld Verrat“ nicht nur ein Coup, sondern ein gleichermaßen unterhaltsames Glanzstück des investigativen Journalismus.

„Liebe, Geld, Verrat.“ Der Untertitel, mit dem der jüngste Doku-Vierteiler aus dem Hause der gebrueder beetz filmproduktion daherkommt, erinnert ohne Frage ein wenig an eine Seifenoper. Nicht dass er irreführend wäre: Genau diese Themen sind es, die den Blick auf das Leben und vor allem den Fall des spanischen Königs Juan Carlos dominieren. Doch wer etwa mit der Serie „Lebt wohl, Genossen“ (2013) über das Ende der Sowjetunion oder dem Film „The Cleaners“ (2019) über die Schattenseiten der Content-Moderation des  Dokumentar-Spezialisten Christian Beetz vertraut ist,ahnt natürlich, dass hier nicht Skandal-Heischerei oder Adelskitsch angesagt sind, sondern gründliche Recherchen und investigativer Journalismus. Der bereits mehrfach mit dem Grimme Preis und einer Oscar-Nominierung ausgezeichnete Produzent hat sich dieses Mal mit Sky zusammengetan.

Der spanische Filmemacher und Autor Pedro Barbadillo war es, der Beetz 2020 vorschlug, sich den spanischen König, der von 1975 bis 2014 Staatsoberhaupt war, als Thema vorzunehmen. Beetz’  anfängliches Desinteresse  an royalen Machenschaften verflog schnell, je mehr er darüber erfuhr, worin Juan Carlos I. alles verwickelt gewesen sein soll. Die Bandbreite der Vorwürfe und Vergehen reichte von verpönten Elefanten-Jagden in Afrika über zahlreiche außereheliche Affären bis hin zu unterschiedlichsten Finanzskandalen, Korruptionsvorwürfen und Geldwäsche. Nur ein halbes Jahr nachdem Beetz und Barbadillo sich auf der Berlinale kennengelernt hatten, setzte der ehemalige König, der den Thron an seinen Sohn Felipe abgetreten hatte, sich ins Ausland ab.

Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew überreicht dem spanischen König Juan Carlos während ihres Treffens einen Pelzmantel. (c) Sky Studios

Zwischen Shakespeare und Thriller-Spannung

Als Tragödie von geradezu shakespeareschem Ausmaß beschreibt die Journalistin Ana Romero von der Zeitung El Mundo die Causa Juan Carlos an einer Stelle der Dokumentation und findet Schlagworte, die sich ebenfalls gut im Titel gemacht hätten: „Macht, Leid, Geld, Sex – und es hört nicht auf.“ Tatsächlich ist das detaillierte Bild, das hier über vier Episoden mittels Archivmaterial, einigen nachgestellten Szenen und umfänglichen Aussagen zahlloser Gesprächspartner von den königlichen Machenschaften gezeichnet wird, ebenso eindrücklich wie erschütternd.  Die von Entbehrung gezeichnete Jugend unter seinem Förderer Franco hat hier genauso Platz wie die Anfangsjahre der spanischen Demokratie, als deren Wegbereiter Juan Carlos weltweit gefeiert wurde, oder Gerüchte über Liebschaften zu verschiedenen Schauspielerinnen, eine schwangere Minderjährige und ein Sturz vom Balkon.

Um spekulativen Klatsch und Tratsch macht „Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat“ bei all dem weitestgehend einen Bogen, und doch ist die Serie viel mehr als eine bloße Aneinanderreihung dröger Informationen. Über weite Strecken entwickeln Beetz und seine Mitstreiter:innen (darunter Regisseur Georg Tschurtschenthaler, der mit Beetz schon bei „Rohwedder“ kollaboriert hatte, und Anne von Petersdorff) sogar eine Spannung, die es mit waschechten Politthrillern aufnehmen kann. Nicht zuletzt, wenn es um die fragwürdigen, schwer durchschaubaren Beziehungen des Königs zu Potentaten in Ländern wie Saudi-Arabien oder Kasachstan geht, Koffer voller Geld oder geheimer Unterlagen und nicht zuletzt die Drohungen, denen sich Corinna zu Sayn-Wittgenstein ausgesetzt sah, Geliebte und enge Vertraute von Juan Carlos.

Schwer durchschaubare Kronzeugin

Dass die Deutsch-Dänin dazu gebracht werden konnte, in der Dokumentation nun sozusagen als schwer durchschaubare Kronzeugin auszusagen, ist ohne Frage ein Aufsehen erregender Coup. Doch letztlich ist es die Stimmenvielfalt, die zum großen Trumpf dieser Produktion wird: von engen, frei von Reue auftretenden Freunden des Königs über zahlreiche Investigativjournalist:innen und Reporter:innen bis hin zum ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar oder einem früheren Geheimdienstmitarbeiter kommen die unterschiedlichsten Personen mit sehr verschiedenen Perspektiven und Einschätzungen zusammen, um ein komplexes, auch widersprüchliches Porträt von Juan Carlos zu zeichnen.

Dass der selbst und natürlich auch alle anderen Mitglieder des Königshauses ein Mitwirken an „Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat“ abgelehnt haben, überrascht dagegen nicht. Schon allein, weil der Titelheld zwar in seiner Heimat lebenslange Immunität genießen mag, Sayn-Wittgenstein allerdings in Großbritannien nach wie vor gerichtlich gegen ihn vorgeht.