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Blauer Panther

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Hintergrund: „13 Fragen“

Spielfeld statt Schlachtfeld

Das Talkformat „13 Fragen“ setzt auf Dialog anstelle von schlagenden Argumenten und bringt so Bewegung auf den Bildschirm – und in die Köpfe.

Verstehen die Moderation angenehm wörtlich: Salwa Houmsi und Jo Schück vermitteln zwischen ihren Talk-Gästen statt Konflikte zu schüren.

So geht Demokratie: Die Sendung „13 Fragen“ denkt das Format der Talkshow neupolitisch, konstruktiv und obendrein auch noch unterhaltsam. Ein spielerisches Konzept und eine geradlinige Moderation rücken das Ziel von Diskussion wieder in den Fokus: Dialog und Konsens statt populistischer und quotenträchtiger Meinungen. Die Jury des Blauen Panthers zeichnet das Moderations-Team Salwa Houmsi und Jo Schück deshalb in der Kategorie „Kultur/Bildung“ aus.

Noch einen Schritt zurück und das Ende des Studios ist erreicht. Eine der Gesprächsteilnehmerinnen der Talkshow „13 Fragen“ wehrt sich in einer Debatte um die 2G-Regelung vehement gegen die Argumente der ihr gegenüberstehenden Mitdiskutant:innen. Hier bedeutet das allerdings nicht das Ende der Sendung, denn die geladenen Gäste stehen sich nicht nur bildlich gegenüber, sondern auch tatsächlich im Studio. Die räumliche Entfernung zeigt auch die Entfernung der gedanklichen Standpunkte an. Jeder Schritt aufeinander zu ist auch ein Schritt in Richtung Konsens. Anders als in gängigen Talkshow-Formaten sitzt hier niemand in einem Sessel – bräsige Selbstgefälligkeit kann also schon rein physiologisch gar nicht aufkommen.

„13 Fragen“ ist mittlerweile im dritten Jahr auf Sendung – zunächst in vier Staffeln auf ZDFKultur und der ZDF-Mediathek, später auch auf ZDFneo. Seit Mai 2022 erscheint jeden zweiten Mittwoch eine neue Folge auf dem YouTube-Kanal unbubble, im Wechsel mit der Sendung „Sag’s mir“. „Raus aus der eigenen Blase, rein in den Austausch“ ist das Motto des Kanals und das Aufbrechen altbekannter Talkshow-Muster hört natürlich nicht nur damit auf, dass die sechs Gesprächsteilnehmer:innen stehen statt zu sitzen. Die Gäste stehen sich auf einem schachbrettartigen Spielfeld gegenüber, drei gegen drei. Die Konfrontation findet hier gleich zu Beginn der Sendung statt, da wird nicht lange gefackelt. „Sind Nachteile für Ungeimpfte ungerecht?“ steht etwa am Anfang der Sendung, „Atomkraft. Ist der deutsche Atomausstieg ein Fehler?“ oder „Sexismus: Sollten manche Party-Schlager verboten werden?“ lauten die Themen.

Salwa Houmsi, Laudatorin Samira El Ouassil und Jo Schück (c) Medien.Bayern - Johannes Müller

Jo Schück und Salwa Houmsi verstehen die Moderation der Show zum Glück sehr wörtlich: Sie vermitteln, fassen zusammen, fragen nach.

Wo alteingesessene Talkformate aufhören, fängt „13 Fragen“ allerdings erst an: Die scheinbar polarisierenden Themensetzungen sind nämlich nicht Stichwortgeber für Meinungsmonologe, sondern lediglich Ausgangspunkt für einen Diskurs und eine offene Diskussion. Die sechs Gäste positionieren sich gleich zu Beginn für oder wider der Sendung vorangestellten Frage und diskutieren dann anhand der titelgebenden 13 Fragen ihre Standpunkte, hören zu, haken nach, erläutern.

Die Diskussion wird bisweilen auch hitzig, beim Thema Impfung wird auch mal geschnaubt und mit den Augen gerollt. Die Impfgegnerin am Rande des Spielfelds sagt es dann kurz darauf selbst: Es gehe doch nicht darum, die eigene Meinung so lange und lautstark zum Besten zu geben, bis die Gegenseite umgestimmt sei, sondern darum, einander zuzuhören. Besonders in diesen Momenten wird die wichtige Rolle der Moderation deutlich – Jo Schück und Salwa Houmsi leiten die Diskussion im Wechsel und verstehen ihre Rolle zum Glück sehr wörtlich: Sie vermitteln, fassen zusammen, fragen nach. Ihr erklärtes Ziel ist es, die beiden einander gegenüberstehenden Parteien zu einem Kompromiss zu bewegen. Ziel ist der Prozess des Aushandelns und das Aufeinanderzugehen. Deshalb ist das Konzept von „13 Fragen“ so simpel wie genial: Hier sind die Spielregeln sichtbar auf den Boden gemalt. Das Spielerische an der Diskussion wird hier wiederbelebt. 

Selbst die Impfgegnerin bewegt sich dann nach und nach auch wieder in Richtung Zentrum des Feldes – das Ringen um Konsens ist in „13 Fragen“ Konzept und macht mit dem simplen wie genialen Verlagerung der Diskussion vom starren Stuhlkreis aufs Spielfeld eine angenehme Alternative zur vorherrschenden Gesprächskultur. So funktioniert Demokratie und es ist mehr als erholsam, das in der deutschen Medienlandschaft zu sehen.