SPECIAL: TV & Streamingtipps im November – von der Jury kuratiert!
SPECIAL: TV & Streamingtipps im November – von der Jury kuratiert!
Der Blaue Panther 2024 geht an…
2024 hat uns eine Vielzahl an TV- und Streaming-Produktionen beschert, die uns gefesselt, mitgerissen und nachhaltig beeindruckt haben. Die enorme Bandbreite an originellen und herausragenden Einsendungen stellte unsere Jury vor eine große Herausforderung – doch die besten Bewegtbildformate wurden am 23. Oktober mit dem „Blauer Panther – TV & Streaming Award“ geehrt (hier die Preisverleihung auf YouTube nachschauen).
Gratulation an alle Preisträgerinnen und Preisträger!
Für alle, die die Preisverleihung am 23. Oktober verpasst haben, gibt es hier eine Übersicht der (im wahrsten SInne des Wortes) ausgezeichneten Produktionen als Special TV & Streaming-Tipps – Part 2!
Hier geht es zu Part 1.
Historienserie: Deutsches Haus
Wenn eine Geschichte auf wahren Ereignissen beruht, sind Emotionen und Gänsehaut vorprogrammiert. Vor allem, wenn sie so behutsam aufgearbeitet ist, wie in der Historienserie „Deutsches Haus“. Die Zuschauer:innen fühlen förmlich mit der jungen Dolmetscherin Eva Bruhns (Katharina Stark) mit, die 1963 den Auftrag erhält, bei einem Prozess in Frankfurt Zeugenaussagen gegen frühere SS-Offiziere ins Deutsche zu übersetzen und dabei noch nie zuvor etwas über Auschwitz gehört hat. Ihre Eltern Ludwig (Hans-Jochen Wagner) und Edith (Anke Engelke) sind gegen den Job. Kein Wunder, schließlich wird Eva nicht nur mit der schrecklichen Wahrheit über den Holocaust konfrontiert, sondern auch mit den totgeschwiegenen Wahrheiten ihrer eigenen Familie. Tiefgehende Begegnungen mit Auschwitz-Überlebenden und erschütternde Aussagen polnischer Jüd:innen lassen Eva immer mehr in die Zeit des Nationalsozialismus eintauchen – und an ihrem eigenen bisherigen Leben zweifeln. Immer wieder bekommt man auch vor dem Fernseher einen Kloß im Hals, etwa wenn die Anklagepunkte gegen jeden einzelnen Täter verlesen werden oder sich Eva Zeit für eine Schweigeminute nimmt, als sie bei einem Ortstermin vor der sogenannten „Schwarzen Wand“ im Stammlager steht. Damit zollt Autorin Annette Hess den Opfern der furchtbaren Massenmorde ihren Respekt und lässt Raum für das Unbeschreibliche. Uns wird direkt vor Augen geführt, wie gering das Verantwortungsgefühl der Nachkriegsgesellschaft bis dahin war. Wir teilen die ungläubigen Blicke von Eva, die das tiefe Leid spürt, sich schämt und gleichzeitig die Kraft aufbringt, sich der Vergangenheit zu stellen. Der Mut von Katharina Stark in diese Figur zu schlüpfen und die großartige schauspielerische Umsetzung wird mit dem Blauen Panther als „Beste Schauspielerin“ belohnt.
Deutsches Haus, 1. Staffel, fünf Folgen, jetzt auf Disney+ ansehen
Familien-Serie: Neue Geschichten vom Pumuckl
Zugegeben, wir waren ein bisschen skeptisch als wir erfahren haben, dass der Held unserer Kindheit „Pumuckl“ neu aufgelegt wird. Zum Glück waren unsere Befürchtungen umsonst. Denn: „Neue Geschichten vom Pumuckl“ sind eine wahre Hommage an Gustl Bayerhammer (der „alte Meister Eder“) und seinen Pumuckl (mit der Stimme von Hans Clarin). Ganz behutsam und liebevoll haben sich die Produzent:innen der NEUESUPER herangewagt und halten das Vermächtnis in Ehren. So erbt Florian Brückner als Neffe des Meister Eder nicht nur die Werkstatt, sondern auch den Pumuckl. Der wird – wie damals – sichtbar, weil er am Leimtopf kleben bleibt, schlägt sich die Hände vors Gesicht und stellt kopfschüttelnd, selbstironisch fest: „Nicht schon wieder“. Der erste Lacher ist damit garantiert und das Eis bei allen, die in den Jahren 1982 und 1988 vor dem Fernseher auf den Reimemeister mit Koboldsgesetz gewartet haben, gebrochen. Gesprochen wird Pumuckl dabei großartig von Kabarettist Maxi Schafroth. Wer trotzdem nicht auf die Ursprungsstimme von Hans Clarin verzichten will, kann diese dank KI wählen. Der Streamingsender RTL+ hält nämlich beide Versionen bereit. Vor allem die dritte Folge geht ans Herz, wenn Florian Brückner als Schreiner Eder mit dem kleinen Klabauter das Grab des Meister Eder besucht. Völlig verzweifelt buddelt Pumuckl in der Erde, um den Meister Eder zu retten, der da unten ja keine Luft bekommt, während er schläft. Und das ist nur eine von vielen Szenen, die sich vor der einstigen Kinderserie, nach dem gleichnamigen Buch von Ellis Kauts, verneigt. Bis am Ende das Silvesterfeuerwerk fliegt und Pumuckl erstmals Schreiner Eder als seinen neuen Meister Eder benennt – mit dem Versprechen, dass es jetzt erst richtig los geht. Wir freuen uns darauf, welche Geschichten Regisseur, Drehbuchautor und „Blauer Panther“-Gewinner Marcus H. Rosenmüller und Preisträger-Produktion NEUESUPER GmbH für uns reimen werden.
Neue Geschichten vom Pumuckl, 1. Staffel, 13 Folgen, hier auf RTL+ streamen
Dokumentation: Gefährlich nah – Wenn Bären töten
Teddy oder Raubtier? Freund oder Feind? Wenn uns ein Bär gegenüberstehen würde, würden wir vor Angst schreiend davonlaufen. Deshalb hat man Bären erst gejagt, um dann doch zehn davon im Rahmen des EU-Projekts „Life Ursus“ im italienischen Trentino auszusetzen. Natürlich haben sie sich fleißig auf 100 vermehrt und nirgendwo sonst auf der Welt leben Raubtier und Mensch so nah beieinander. Mutig oder undurchdacht? Obwohl der wilde Bär groß und imposant ist, attackiert er erst, wenn er sich bedroht fühlt. Und doch gab es im April 2023, fast 25 Jahre nach der Bärenumsiedlung, einen tödlichen Angriff auf den 26-jährigen Jogger Andrea Papi. Die Täterin ist Problembärin JJ4, auch bekannt als Gaia. Sie ist eine Schwester des bayerischen Bären Bruno und hat schon mal einen Menschen verletzt, doch der Abschussbefehl wurde damals aufgrund einer Klage von Tierschützern zurückgezogen. Das neue tragische Ereignis hat den seit Jahren schwelenden Streit zwischen der lokalen Bevölkerung, der Politik und den Tierschützern wieder befeuert… ach was… eskaliert! So wurde der Präsident der Provinz Trient, Maurizio Fugatti, bedroht, weil er Bärin JJ4 final abschießen lassen wollte. Auch seine Familie stand unter Polizeischutz. Es geht ums Überleben. Und zwar auf beiden Seiten. Bären und Familien kämpfen. Und über allem steht die Frage: Wem gehört die Natur? Eine Antwort wollte Dokumentarfilmer und Grimme-Preisträger Andreas Pichler finden. Als erster Filmemacher überhaupt durfte er fast drei Jahre lang die 20-köpfige Spezialeinheit der Forstwache begleiten, die sich um die Bärenpopulation kümmert – und nimmt die Zuschauer:innen in beeindruckenden Naturaufnahmen mit in die Wildnis. Dabei zeigt er das Dilemma zwischen Mensch und Bär, denen er beiden gefährlich nahe kommt. In der Kategorie Information/Journalismus geht der Blaue Panther deshalb an Regisseur Andreas Pichler.
Gefährlich nah – Wenn Bären töten, 94 Minuten, ARD Mediathek, Sky nature, in der BR Mediathek ansehen
Coming-of-Age-Serie: Nackt über Berlin
Krimi light, Buddy-Komödie, Rachedrama und Wundertüte. Das alles ist „Nackt in Berlin“ und noch viel mehr. Denn mal ehrlich: Wer hätte seine Lehrer:innen nicht auch mal mit einem Streich bestrafen wollen?! Jannik (gespielt von Lorenzo Germeno) und Tai (Anh Khoa Trần), die als Außenseiter der Schule nur „Fetti“ und „Fidschi“ genannt werden, haben es getan: Sie sind ihrem betrunkenen Schuldirektor Lamprecht (Thorsten Merten) nach Hause gefolgt und haben ihn in seine durchtechnisierte Wohnung gesperrt. Aus dem leerstehenden Nachbarapartment überwachen sie ihn. Dumm nur, dass dabei alles aus dem Ruder läuft und aus dem harmlosen Scherz eine handfeste Entführung wird. Vor allem, weil Tai es geradezu zelebriert, Gott zu spielen und den Lehrer zu einem Seelenstriptease zwingt. Er kann ja schlecht ahnen, dass dieser immer neue Dimensionen seines persönlichen Versagens zugibt und wirklich über Leichen gegangen ist. Eine Meisterleistung von Autor und Regisseur Axel Ranisch, der sich mit der Rolle des Jannik identifiziert, wie er sagt. Wie seine Filmfigur war er dicker als andere, fand Jungs anziehend und hat als Jugendlicher klassische Musik geliebt. Wie ein Popstar hängt Tschaikowski also auch über Janniks Bett. „Wir sind uns irgendwie ähnlich.“ Mit diesem Satz gibt Jannik zu, dass er schwul ist. Die queere Liebe nimmt sein Vater (Devid Striesow) aber nicht so einfach hin und schickt seinen Sohn zum Arzt, der ihm den Testosteronspiegel hochspritzen soll. Dessen Diagnose: „Du bist 17, schwul und lebst in Berlin – was Besseres kann dir nicht passieren.“ Hmm… doch: der Nachwuchspreis des Blauen Panthers! Glückwunsch an Lorenzo Germeno für seine Schauspielkunst und gigantische Bandbreite an Emotionen in der Rolle als Jannik in „Nackt über Berlin“.
Nackt über Berlin, 1. Staffel, sechs Folgen, hier ARD Mediathek anschauen
Unterhaltungsshow: Lass dich überwachen!
Stell dir vor, du hast endlich eines der begehrten Tickets für die Late-Night-Satire „ZDF Magazin Royale“ ergattert. Du sitzt gespannt im Publikum als Moderator Jan „Böhmi“ Böhmermann das TV-Studio betritt – und stellst fest, dass du dich in einer ganz anderen Show befindest. Und zwar in „Deutschlands ehrlichster Show“. Einer Sendung, die deine längst vergessenen Fotos, peinlichen Chats oder privaten Daten aufdeckt. Die Mundwinkel der Zuschauer:innen fallen nach unten, Geflüster macht sich breit und ein hastiges hin und her auf den Stühlen sorgt für Unruhe. Welche vergangenen Sünden hast du jemals im Internet gepostet? Längst verjährt? Von wegen! Das „Lass dich überwachen!“-Team hat die digitalen Fußabdrücke jedes Studiogastes aufgedeckt. Der Zufallsgenerator springt an, Scheinwerfer wirbeln durcheinander, bis ein Spot plötzlich stehen bleibt. Spätestens, wenn Böhmi deinen Namen nennt, gibt es kein Zurück mehr. Allerdings führt die erste Schamesröte der Kandidat:innen schnell zu einem erleichternden Aufatmen, denn das „Geheimnis“ ist nur ein Faible für zum Beispiel Rollercoaster und die Produktion spendiert die 250. Achterbahnfahrt – gleich hebt der Helikopter ab Richtung Freizeitpark. Auch wurde schon das abgeranzte Musikstudio einer Schulband gegen einen Auftritt vor 80.000 Menschen bei Rock am Ring getauscht. Trotz lustiger Einspielfilme und verschiedener Studiogames geht es also nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger in Wunden zu bohren, sondern darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nichts im Internet verschwindet. Wir sagen: Entertainment von Host und Moderator Jan Böhmermann par excellence und der Auszeichnung mit dem Blauen Panther mehr als würdig.
Lass dich überwachen!, bisher sechs Folgen, hier aufrufbar in der ZDFmediathek
Young-Adult-Serie: Maxton Hall – Die Welt zwischen uns
Die Blicke treffen sich, das Kribbeln im Bauch wird stärker, man fühlt sich federleicht und bekommt das Dauergrinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Hach, wie schön kann Liebe sein. Besonders, wenn es die erste große Liebe ist. Ganz so reibungslos finden Ruby Bell (Harriet Herbig-Matten) und James Beaufort (Damian Hardung) in „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“ nach dem Romance-Bestseller „Save me“ von Autorin Mona Kasten allerdings nicht zueinander, erobern so aber die Herzen der Prime Video-Abonnent:innen und klettern auf Platz 1 der Charts des Streaminganbieters in mehr als 120 Ländern. Rekord! So spannend und schmachtend schön ist halt einfach die „Enemies to Lovers”-Story, die wie ein Märchen klingt: Die unauffällige, aber schlagfertige Ruby schafft es dank Stipendium aufs renommierte Maxton Hall Privatcollege – und wird prompt Zeugin eines brisanten Geheimnisses. Ihr Schweigen kann sich der arrogante Millionärserbe James nicht erkaufen, schließlich interessiert sich Ruby wenig für Geld, Glamour, Luxus und Macht. Was ihr Herz aber nicht daran hindert, höher zu schlagen. Immer dann, wenn sie James sieht. Die beiden kommen aus unterschiedlichen Welten. Und doch sind sie füreinander bestimmt. Denn auch James setzt alles aufs Spiel, um mit Ruby zusammen zu sein. Es sieht nach einem Happy End aus, als ein Todesfall für Chaos sorgt, das in der zweiten Staffel der Serienadaption weitergeht. Der Starttermin wird auf Anfang 2025 gemunkelt, die neuen Folgen sind jedenfalls schon abgedreht und alle Buchfans wissen, dass die Trilogie eben auch auf eine dritte Staffel hoffen lässt. Alle Hände voll zu tun also für Daphne Ferraro, die für ihre besondere Leistung als Headwriterin den Blauen Panther in der Kategorie Fiktion erhält und sich zusammen mit der Produktion UFA FICTION zudem über den Jurypreis als „Beste Serie“ freuen darf.
Maxton Hall – Die Welt zwischen uns, 1. Staffel, sechs Folgen, exklusiv auf Prime Video ansehen