Interview: „Funeral for a Dog“
„Am Ende des Tages ist es eine Arbeitsanweisung“
Die Drehbuchautoren der Sky-Serie „Funeral for a Dog“ sprechen im Interview über ihren Arbeitsprozess.
Mit seinem Romandebüt „Bestattung eines Hundes“ landete der Schriftsteller Thomas Pletzinger einen Bestseller. Darin geht der Journalist Daniel Mandelkern der Geschichte hinter einem Roman nach – ein Liebesdreieck, das sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt und in Schuldzuweisungen und Trennungsschmerz endet. Mit den Drehbuchautoren Hanno Hackfort und Bob Konrad, die bereits gemeinsam an „4 Blocks“ und „Para – Wir sind King“ gearbeitet haben, machte Pletzinger nun eine Serie aus seinem Roman. Für das Skript zu „Funeral for a Dog“ erhalten die Autoren den Blauen Panther 2022 in der Kategorie Fiktion. Im Interview sprechen sie über die Arbeit am Drehbuch, notwendige Übersetzungsleistungen vom Roman zum Fernsehbildschirm und Dreharbeiten auf drei Kontinenten während der Corona-Krise.
Herr Konrad, Herr Hackfort, Sie sind zu zweit schon seit einiger Zeit als Autorenteam in der Serienwelt unterwegs, Herr Pletzinger, Sie als Schriftsteller – wie sind Sie zusammengekommen, um dieses Projekt gemeinsam zu machen?
Bob Konrad: Wir haben hier in Berlin ein Büro im Prenzlauer Berg, in dem verschiedene Leute zusammenarbeiten. Thomas ist vor einiger Zeit zu uns gezogen, weil sein altes Büro aufgelöst wurde. Das hat sich also ganz organisch ergeben.
Thomas Pletzinger: Genau, wir kannten uns schon vorher. Unser Produzent, Martin Heisler, der das Projekt wirklich von der allerersten Minute bis zur Premiere betreut hat, war im Grunde derjenige, der die Fäden in der Hand hatte. Wir haben vor mittlerweile sieben Jahren damit begonnen, weil Martin bei einer Lesung von mir war und dieses Buch in die Finger gekriegt hatte. Das war damals ja auch schon zehn Jahre alt. Das ist eine lange Entwicklung gewesen, die auf viel Ausdauer und Geduld basiert, aber eben auch auf Freundschaft und persönlichem Bekanntsein.
Konrad: Wir hatten davor auch schon immer mal gesprochen. Thomas waren die Projekte bekannt, die Hanno und ich gemacht haben und wir hatten schon mehrfach darüber nachgedacht, dass wir mal was gemeinsam machen wollen. Und dann kam Thomas eben irgendwann und meinte „Wollen wir nicht mein Buch als Serie machen?“
Und dann ging ein mehrjähriger Schreibprozess los?
Konrad: Wir haben uns extrem lange Zeit gelassen, auch weil es uns Spaß gemacht hat. Der Entwicklungsprozess war sehr demokratisch. Wir saßen sehr oft zusammen, sind auch gemeinsam weggefahren, teilweise auch schon mit Regie und Produktion. Es waren also schon früh alle eingebunden.
Hanno Hackfort: Lange bevor wir überhaupt einen Sender an Bord hatten. Lange bevor Sky von seinem Glück auch nur ahnte (lacht).
Herr Pletzinger, Ihr Roman „Bestattung eines Hundes“ ist aus dem Jahr 2008. Wie war es für Sie, das eigene Buch nach so langer Zeit wieder aufzurollen und für den Fernsehbildschirm neu zu denken?
Pletzinger: Das ist natürlich eine völlig faszinierende Geschichte für mich gewesen. Ich muss sagen, ich hatte mit mehr Schwierigkeiten gerechnet – auch bei mir selbst. Aber meine Mitautoren haben es mir sehr leicht gemacht, weil sie einfach große Expertise haben. Und dann hat es mir tatsächlich auch geholfen, dass dieses Buch schon eine ganze Weile Buch war. Es gab also eine große Distanz dazu. Wenn man dann sieht, das hat Hand und Fuß, was dazu gesagt wird, dann fällt es einem leicht. Für mich war das ein faszinierender Prozess, dass man über zwanzig Jahre hinweg aus einer Idee erst ein Buch werden sieht und dann später eine Fernsehserie, die man auch noch gut findet und an der man beteiligt ist und mitreden darf. Das war ein großes Glück.
Was Sie alle drei verbindet, ist das Geschichtenerzählen. Welche Veränderungen mussten Sie denn am Romanstoff vornehmen, um ihn in Bewegtbild zu übersetzen?
Hackfort: Was das Buch und seinen Reiz ausmacht, wenn man es liest: Da spielt sich sehr viel auf der Reflexionsebene ab, im Inneren der Figuren. Es wird sehr viel nachgedacht. Das ist auch eine Form von Geschichte, die aber für eine dramatische Darstellung, also in Form von Film oder Serie, sehr schwer umzusetzen ist. Film und Serie gehen von vorne nach hinten und nicht von außen nach innen – sie brauchen nach vorne treibende Handlung. Dafür mussten wir Übersetzungen finden und da war die Gemeinsamkeit im Writers‘ Room sehr wichtig. Dass Thomas sozusagen immer den inneren Anker gehabt hat und sagen konnte „Ne ne, das ist aber gar nicht das, was ich erzählen will,“ wir aber gesagt haben, „ja gut, aber so wie es dasteht, lässt es sich nicht erzählen.“ Wir mussten also Bilder finden und nicht nur Bilder, sondern Handlungsabläufe, die anders sind als im Buch, aber gleichzeitig die DNA dessen, was im ursprünglichen literarischen Bild drin steckte, trotzdem noch bewahren.
An welchen Stellen der Serie sind Sie denn so vorgegangen?
Konrad: Eine Geschichte, die mir einfällt, ist diese Finnland-Episode. Das ist im Buch ja wirklich auf ganz wenige Momente beschränkt: Das Auto bricht zusammen und die Protagonisten sind in einem Hotel und dann wird alles andere eigentlich nur so erzählt. Das ist ja ein wunderschönes Setting, dieser Moment. Das mussten wir dann natürlich mit Plot füllen. Das Eintauchen in Tulis Vergangenheit haben wir dadurch gelöst, dass man den Personen aus der Vergangenheit begegnet und eine Geschichte entsteht.
Hackfort: Die gesamte Ebene der Rahmenhandlung am See, wo die Aufgabenstellung war, die Atmosphäre zu bewahren, aber trotzdem auf acht Folgen so hinzubekommen, dass da nicht permanent nur Leute mit Weingläsern in der Hand herumstehen und sich gegenseitig ihre Gedanken mitteilen. Das funktioniert in der Handlung nicht über lange Strecken. Darum kam dann die Idee, eine Art Whodunit-Krimi-Ebene mit einzuziehen und dem Ganzen eine Griffigkeit zu geben, die ein Romantext nicht braucht.
Pletzinger: Eines der Hauptmomente, das wir geändert haben, war ein Bedeutungskomplex, um den es im Buch geht: die Psychologie von Schuld. Im Buch ist der Sachverhalt wie folgt: Eigentlich sind die Protagoinsten zu spät gekommen und während sie nicht dort waren, ist etwas passiert. Jemand ist ertrunken. Kriminalistisch würde man sagen, das ist keine Schuld, sondern nur eine empfundene Schuld. Wir haben das jetzt versucht zu übertragen in einen tatsächlichen Schuldzusammenhang, der auch von außen nachvollziehbar ist. Es gibt also nicht nur ein Zuspätkommen, sondern ein Dabeisein und eine juristisch relevante Schuldfrage. Es gibt auch diesen Fährmann, den es im Roman wiederum nicht gibt. Der ist aber auch ein Mittel, um diese Frage von Schuld oder Nicht-Schuld zu verbildlichen. Da gibt es einige Sachen. Ich würde aber trotzdem sagen, dass das Buch schon auch Plot-Elemente hat.
Hackfort (lacht): Natürlich!
Pletzinger: Den Hahnenkampf aus dem Roman haben wir eins zu eins abgebildet. Es gibt also auch Momente, wo man denkt, da leistet das Buch fast Filmisches. Daraus dann etwas zu bauen, das gut gewichtet ist, das verdankt man dann natürlich den erfahrenen Drehbuchautoren. Dass es quasi die gleiche Seele trägt wie das Buch, ist der Tatsache geschuldet, dass ich mich häufiger mal beschwert habe, dass wir näher am Buch bleiben sollen. Das war glaube ich ein produktives Ringen. So habe ich es jedenfalls wahrgenommen.
Orte spielen im Roman eine wichtige Rolle und deshalb natürlich auch in der Serie: Deutschland, der Luganersee in Italien, Finnland, New York und Südamerika. Im Roman war das leicht umsetzbar, aber wie schreibt man eine Serie an so vielen Orten – in der Hoffnung, dass ein Sender aufspringen wird?
Hackfort: Das geht glaube ich nur mit einer gewissen unverschämten Hochnäsigkeit. Diese Reise ist ja elementar für das Buch und auch die Orte sind ja nicht einfach nur Orte, die zufällig entstanden sind, sondern haben zum Teil autobiografische Anknüpfungspunkte an Thomas‘ Geschichte. Aber sie stehen eben auch für die Gefühlszustände der Figuren in den bestimmten Stadien ihrer Beziehung miteinander. Das hat etwas mit der Dynamik, der urwüchsigen Kraft und Hitze von Lateinamerika zu tun. Die Natur und die Kälte Finnlands spielen eine Rolle. 9/11 in New York ist nun mal 9/11 in New York und hat als Ereignis natürlich auch eine ganz zentrale metaphorische Bedeutung. Insofern haben wir nie daran gezweifelt, dass wir diese Orte halten und wir dann auch nur mit einem Partner von Senderseite zusammenarbeiten können, der es uns auch ermöglicht, dort zu drehen. Was Sky ja dankenswerterweise wunderbar getan hat.
Pletzinger: Das kann ich bekräftigen. Das ist keine autobiografische Erzählung, aber die Orte haben tatsächlich mit meinen jungen Jahren zu tun. Der Stoff erzählt eine Generation von Leuten, die immer gedacht hat, dass alles möglich ist. Dass die Welt ihnen gehört, dass sie hinfahren können, wo sie wollen. Das ist eine sehr privilegierte Position. Es erzählt aber auch die harte Landung dieser Generation, die dann vielleicht sogar mit dem Wendepunkt am 11. September merkt, dass vielleicht ihre Position der Welt gegenüber gar nicht so eindeutig oder vielleicht eher zweifelhaft und moralisch gar nicht so einwandfrei ist. Die Orte stehen dafür, dass sie mit so einer westlichen Nonchalance in die Welt gehen und am Schluss aber sehr hart landen. In der Pragmatik, wie wir das gedreht haben, war das natürlich eine irrsinnige Herausforderung. Da muss man auch vor dem Sender und der Produktionsfirma zehnmal den Hut ziehen, was die da gemacht haben.
Hackfort: In Corona- Zeiten!
Pletzinger: Ja! Dass das in Corona-Zeiten wirklich an diesen Orten gedreht wurde. Das ist eine der großen, wenn nicht sogar die größte Leistung der Produzenten.
Herr Pletzinger, Sie sagen selbst, dass der Roman autobiografisch inspiriert ist. In dem Roman und der Serie geht es ja nicht zuletzt auch ums Erzählen und das Schreiben. Wie viel steckt da in den Figuren des Schriftstellers Svensson und des Journalisten Mandelkern aus Ihrer eigenen Erfahrung als Autor drin – sowohl von Romanen als auch von Serien?
Konrad: Es ist natürlich immer spannend: Was ist wahr und was ist erzählt? Wenn wir fiktionale Werke erschaffen, fließt ja immer viel Wahres mit ein. Leute, die man kennt, Erfahrungen, die man gemacht hat. Die werden dann verändert und eingebaut. Von daher ist die Beschäftigung damit extrem spannend und das konnte man in dieser Geschichte sehr schön machen, weil es mehrere Zeitebenen gibt und die fiktionale Ebene. Alles fließt so ineinander. Das kennt man ja auch selbst: Auch wir erzählen gerne mal privat, was man so erlebt hat und selbst da verändern sich die Geschichten jedes Mal (lacht).
Hackfort: Ja, natürlich sind in jedem Text und jeder Geschichte, die wir machen, auch immer autobiografische Elemente in irgendeiner Form drin, auch wenn sie von arabischen Gangstern oder tschekistischer Rache handelt. Es ist immer eine Verarbeitung von eigenen Gefühlen und Teilen der Vergangenheit – natürlich sehr verpackt und verklausuliert. Insofern stimmt das natürlich. Was Svensson allerdings mit seinem Schreiben für sich bewirken möchte, unabhängig davon, dass er es beruflich tut, das ist mir persönlich in dieser Form relativ fern. Bei der Figur Mandelkern schon eher, wenn es darum geht, wie man mit Krisen im Leben umgeht. Bei diesen Gefühlen, da ist auch eigene Erfahrung mit drin. Aber was das Schreiben angeht, ist das keine Reflektion über mein Schreiben.
Pletzinger: Ich sehe diese Reflektion über Schreiben bei mir natürlich stärker, weil ich dieses Buch gebaut und geschrieben habe. Da habe ich mich tatsächlich mit dem Wesen von Notaten und dem Zusammenhang von dem beschäftigt, was man gerade aufschreibt, während etwas passiert. Das habe ich alles mitgedacht beim Buchschreiben. Für mich war das nochmal etwas Anderes zu sehen, wie das tatsächlich von unseren Seiten, die wir gemeinsam geschrieben haben, wieder zu Menschen und Dialogen wurde, die gesprochen werden, und am Set zu sehen, was dann die Schauspieler daraus gemacht haben. Ich habe schon sehr intensiv über das Geschichtenerzählen nachgedacht. Darüber, welche Nuancen in Worten stecken und welche Inhalte in Körpern sichtbar werden. Solche Sachen habe ich ständig mitgedacht. Das war für mich zwischenzeitlich ein ganz schön großer Mindfuck, muss ich sagen.
Hackfort: Total! Ich habe nie einen Roman geschrieben, aber ich kann es mir vorstellen: Wenn Du als Romanautor einen Satz schreibst, steht dieser Satz da. Wenn nicht noch irgendjemand von Verlagsseite da drin rumpfuscht, dann steht der Satz da so, wie Du ihn Dir ausgedacht hast. Beim Drehbuchschreiben geht das ja durch so viele Instanzen. Du schreibst einen Satz und denkst, das ist der Satz, den ich erzählen will. Dann kommt der Produzent und sagt „Ja, aber das können wir uns nicht leisten, was da steht.“ Dann modulierst Du den Satz nach den Gegebenheiten und ganz am Ende kommt dann der Schauspieler und sagt „So einen Satz kann doch niemand sprechen!“ Und dann spricht er den halt so, wie er denkt zu sprechen. Dann kommt es halt darauf an, dass man dem Schauspieler vorher durch die Regie oder noch vorher beim Lesen genug mitgegeben hat, dass er die Rolle schon so begreift, wie man selber diese Figur auch begreift. Dann ist es am Ende scheißegal, was der wortwörtlich für einen Satz sagt. Das wird immer so ein bisschen verklärt, dass dieses Drehbuchschreiben ja bei weitem nicht sowas Sakrosanktes oder sowas Fixes wie ein Roman ist. Am Ende des Tages ist es eine Arbeitsanweisung, die sehr wichtig ist, aber auch immer noch zum Gestalten einlädt. Da war es wiederum auch sehr gut, dass wir die Regie so früh mit an Bord hatten.
David Dietl und Barbara Albert.
Hackfort: Genau. Die Regie muss es dann zusammenhalten, wenn die Schauspieler anfangen, kreativ freizudrehen und sich den Text zu eigen zu machen. Dann sorgt die Regie dafür, dass es trotzdem noch die Essenz beinhaltet, die man ursprünglich sagen wollte.
Pletzinger: Ich hatte aber schon das Gefühl, dass im Laufe der Jahre der Roman schon auch zu einer Arbeitsanweisung wurde, was auch eine gute Sache war. Wir haben uns ja nicht vor den Altar dieses Romans gekniet. Wir haben schon auch mal gesagt: „Ne, das ist Quatsch. Wir müssen das aufbrechen, verändern, anders machen. Das hat es viel gegeben, diese vielfachen Metamorphosen.