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Blauer Panther

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Hintergrund: „Die Kaiserin“

Der Kaiserin neue Kleider: Katharina Eyssen verpasst Sisi Sexappeal

Devrim Lingnau als Sisi und Philip Froissant als ihr Franzl. (c) Netflix

„Ein Meisterwerk“, sagt die „Blauer Panther“-Jury. Head-Autorin Katharina Eyssen macht in ihrer Serie aus der Titelheldin keine Zuckerpuppe, sondern eine Rebellin – aufsässig, smart und sexy. Das kam an: „Die Kaiserin“ ist laut Netflix eine der erfolgreichsten nicht-englischsprachigen Eigenproduktionen des Jahres 2022.

Die neue Sisi ist aufsässig, smart, sexy

Schon mal etwas vom „Sexy Costume Drama“-Hype gehört? Noch nicht? Aber bei „Bridgerton“, „Die Borgias“, „Reign“ und „Die Tudors“ nächtelang an der Mattscheibe geklebt? Na, dann sind wir doch bereits mitten im Thema. Kaum etwas hat Streaming-Fans in den vergangenen Jahren so heftig in Wallung gebracht wie historische Drama-Serien, in denen nicht nur Königreiche und Fürstentümer, sondern auch die Hüllen fallen. Sinnliche Erotikszenen machten die „Bridgerton“-Debütstaffel zum internationalen Charts-Spitzenreiter und zu einer der erfolgreichsten Netflix-Serien aller Zeiten. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der US-Streaming-Anbieter auf der Suche nach der nächsten heißblütigen Adelsfamilie bei Sisi (yup, mit nur einem „s“) landen würde. Schließlich steht das unkonventionelle Leben von Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837 – 1898) bei Kulturschaffenden seit einiger Zeit wieder hoch im Kurs. In Kinoperlen wie Marie Kreutzers „Corsage“ (2022) oder Frauke Finsterwalders „Sisi & Ich“ (2023) begeisterte das Schicksal der Monarchin die Arthaus-Szene. Der TV-Privatsender RTL+ ließ im Dezember 2021 Dominique Devenport und Jannik Schümann als österreichisches Kaiserpaar in Serie gehen. Die mittlerweile drei Staffeln umfassende „Sisi“, vergangenes Jahr als „Beste Serie“ für den Blauen Panther nominiert, zeigt Szenen einer wechselvollen Ehe mit reichlich Intrigen, Pomp und Herzblut. 

Und hier kommt die Kreatorin und Drehbuchautorin Katharina „Kati“ Eyssen („Zeit der Geheimnisse“) ins Spiel. Nach dem Motto „Tschüß, Sisi-Kitsch“ hat Eyssen das Zelluloid-Erbe der Souveränin in „Die Kaiserin“ gehörig entstaubt. In ihrem Sechsteiler zeichnet die gebürtige Starnbergerin ein komplexes, zeitgemäßeres Bild der Frau, die der britische Guardian einmal als einen „habsburgischen Popstar“ und eine „lange unentdeckte feministische Ikone des 19. Jahrhunderts“ beschrieb. Eyssens Titelheldin ist keine Zuckerpuppe, sondern eine Rebellin – aufsässig, smart und sexy. Das Publikum fand’s reizend: Laut Netflix ist „Die Kaiserin“ eine der erfolgreichsten nicht-englischsprachigen Eigenproduktionen des Jahres 2022. „Ein Meisterwerk“, sagt auch die Jury und ehrt Showrunnerin Eyssen 2023 für ihr Drehbuch in der Kategorie „Fiktion“ mit dem „Blauer Panther – TV & Streaming Award“.

Sisis ungestüme Art kombiniert mit den aufkeimenden Gefühlen für Franz und den damit verbundenen Erwartungen, die an sie als junge Kaiserin gestellt werden, bergen reichlich Konfliktpotenzial. (c) Netflix

Ränke und Rebellion statt Sisi-Kitsch

Der Machtkampf von zwei unterschiedlichen Weltanschauungen, Individualismus versus Institutionalismus, mache die Serie hochaktuell, so die Jury. In schön komponierten Bildern zeigt die erste Staffel, wie die bayerische Herzogin Elisabeth (Devrim Lingnau) ihr unbeschwertes Leben zwischen Pferdestall und Waldwiesen gegen einen fremdbestimmten Alltag bei Hofe eintauschen muss. Der Grund: Sie heiratet ihren Cousin Franz Joseph (Philip Froissant), Kaiser von Österreich. Dass der schmucke Monarch ursprünglich Sisis Schwester versprochen war, Franz‘ einflussreiche Mutter Sophie (Melika Foroutan) Intrigen spinnt und Bruder Maximilian (Johannes Nussbaum) ebenfalls der schönen Cousine nachstellt, macht Sisis Einstand, nun ja, ein wenig diffizil. Derweil brodelt es im Reich, Krieg droht von gleich mehreren Seiten. Kurz: Es ist kompliziert.

Die durchdachten Kostüme, Sets und Masken verleihen der Serie einen modernen Touch. (c) Netflix

In „Die Kaiserin“ fallen Masken und Hüllen

Historisch einwandfrei mag „Die Kaiserin“ zwar nicht sein, dafür lässt Showrunnerin Eyssen im Machtpoker die Damen dominieren, und die spielen allesamt mit Finesse. Lästige Ehemänner verfrachten die Mesdames en passant auf abgelegene Landsitze, Sex und Leidenschaft, nicht notwendigerweise mit den Ehepartnern, gibt es zuhauf, auch in dieser Beziehung ist der Netflix-Hit nicht von gestern. Komplotte und Verschwörungen, exzessive Partys, dazu eine Albtraum-Hochzeit mit bizarren Ritualen – ein Fest für „Sexy Costume Drama“-Fans und die „Blauer Panther“-Jury. Sie lobte „die Liebe zum Detail und die herausragende Kreativität der Kreatorin“ und befand: „Katharina Eyssen erzählt mit ihrer Vision und der durchdachten Auswahl der Kostüme, Maske und Sets neben dem Plot eine eigene Geschichte.“ Und zwar eine erfrischend moderne: Keck baute sie Männerohrringe, Tätowierungen und sexy Ausdruckstanz in die Serie ein.

Apropos, zum Schluss noch ein paar Worte der Aufklärung in Sachen Sisi / Sissi. Das zweite „s“ verpasste einst Ernst Marischka der Kaiserin. Der österreichische Regisseur ist außerdem schuld daran, dass alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit manch schmachtendes „Franzl!“ durch deutsche Wohnzimmer schallt. In den 1950er-Jahren schuf Marischka gleich drei Klassiker der deutschsprachigen Filmgeschichte: Seine „Sissi“-Trilogie machte Romy Schneider und Karlheinz Böhm zu Stars. Die historisch korrekte Schreibweise? Nur ein „s“. Das bezeugt eine Tabakdose, die der bayerische König Ludwig II. seiner Cousine Elisabeth 1881 zum Geburtstag schenkte. „Angebetete, aufrichtig geliebte Sisi. Niemand auf Erden ist mir so teuer als Du!“, ließ er darauf gravieren. Hach, wie romantisch, oder? Wer jetzt Lust auf mehr Gepränge, Ränke- und Liebesspiele am österreichischen Hof bekommen hat, kann frohlocken. Katharina Eyssen arbeitet bereits an einer zweiten Staffel.