Interview: Ingrid Harding, Produktleitung Porzellan Manufaktur Nymphenburg
Bayerische Handwerkskunst für die große Bühne
Ingrid Harding, Produktleitung bei der Porzellan Manufaktur Nymphenburg, spricht im Interview über die Entstehung der Panther-Trophäe.
Begehrtes Glanzstück seit über 30 Jahren und das Symbol für herausragende Produktionen im TV, Streaming und Web: die Panther-Trophäe aus Porzellan. Sogar nach der Neuauflage 2022, als der Bayerische Fernsehpreis zum „Blauer Panther – TV & Streaming Award“ wurde, durfte der traditionsreiche Award sein Design behalten. Bis heute wird die Trophäe in der Porzellan Manufaktur Nymphenburg händisch produziert – gleich neben dem Schloss Nymphenburg in München. Im Interview spricht Ingrid Harding, Produktleitung der Manufaktur, über die Entstehung der Trophäe, echte Handwerkskunst und die Faszination Porzellan.
Frau Harding, ein Panther ist nicht das erste Tier, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Bayern denkt. Wie ist die Idee zu dem Design entstanden?
Ingrid Harding: Nymphenburg wurde vom Bayerischen Staat gebeten, einen Award zu gestalten. Es gab Gespräche darüber, welches Thema er haben sollte. Die Entscheidung fiel auf etwas, das viele Leute gar nicht kennen: Man kennt den bayerischen Löwen, aber im bayerischen Staatswappen befindet sich im unteren linken Wappenteil auch ein blauer Panther. Der Panther wurde als Thema gewählt und natürlich sollte er das bayerische Wappen in der Hand halten. Toni Hörl, der langjährig hier beschäftigt war und sehr gut modellieren konnte, hat die tolle Aufgabe bekommen, die Figur zu entwickeln. Das war 1989.
Entstehen solche Entwürfe immer in der Manufaktur?
Harding: Entworfen wird hier selten, wir produzieren hauptsächlich. Wir arbeiten mit Designern und Künstlern von außerhalb, weil wir diesen Einfluss von außen sehr wichtig finden. Sie haben eine andere Perspektive und kommen mit Wünschen, die uns fit halten. Das hilft uns dabei, uns weiterzuentwickeln. Es gibt nichts Spannenderes, als mit einem Künstler zu arbeiten, der mit einem Sprudel an Ideen und Lebensfreude an die Arbeit geht.
Die Preisverleihung des „Blaue Panther – TV & Streaming Award“ findet in diesem Jahr am 25. Oktober statt. Wann beginnen Sie mit der Produktion, damit alle Stücke rechtzeitig ihren großen Auftritt auf der Bühne haben?
Harding: Wir brauchen jedes Jahr circa 20 Stück. Wir bekommen die endgültige Zahl immer in der letzten Sekunde, deshalb produzieren wir ein paar auf Reserve. Und soweit ich weiß, sind sie schon in Arbeit. Sobald wir etwas Luft in unserer Planung haben, legen wir mit solchen Dingen los, damit sie wirklich rechtzeitig fertig sind. Hektik ist ganz schlimm für uns. Wenn man Hektik reinbringt, geht es zu hundert Prozent schief. Jeder Kollege, der unter Druck kommt, weil der andere zu langsam war, ist unglücklich. Wir versuchen, dass alles Spaß macht – man sieht die Freude am Ende.
Vom Entwurf bis zur fertigen Trophäe – Welche Stationen muss die Figur in der Manufaktur durchlaufen?
Harding: Ohne eine Gipsform kann man nicht arbeiten. Das sind oft viele verschiedene: Das Ohr ist eine eigene Form, der Sockel oder die Pfoten. Eine Gipsform kann man nur circa 20 Mal verwenden, bis sie keine sauberen Figuren mehr hervorbringt. Die Kollegen in der Formerei gießen die Formen aus und bossieren sie dann in ein Ganzes. Von dort aus geht die Figur in die Hände des Ofenmeisters – der brennt sie ein erstes Mal. Dann wird das Stück händisch glasiert. Der Ofenmeister brennt es erneut, damit es glänzend und erhärtet aus dem Ofen kommt. Es geht weiter zur Qualitätssicherung: Dort schauen die Kollegen, ob alles in Ordnung ist und schleifen die Figur. Dann geht es in die Malerei: Das „Panther-Blau“ muss vor jeder Bemalung neu gemischt werden. Wir haben dafür ein eigenes Labor, das die Farbpigmente so aufbereitet, dass sie keramische Temperaturen aushalten. Die Farbe muss in dünnen Schichten händisch mit einem feinen Pinsel oder einer Feder aufgetragen werden. Danach werden die Figuren nochmal gebrannt – die Farbe wird durch die Hitze fixiert. Die Trophäe kommt nochmal in die Qualitätssicherung und wenn alles gut gegangen ist, kommt sie in die Packerei und darf in ihr schönes Etui.
Der Bayerische Fernsehpreis hat im letzten Jahr eine Neuauflage erlebt und wurde zum „Blauer Panther – TV & Streaming Award”. Die Panther-Trophäe wurde als ursprüngliches Element beibehalten. Wie passen das traditionelle Design der Figur und die Preisverleihung in neuem Gewand für Sie zusammen?
Harding: Ich finde es sehr schön, wenn man etwas Traditionelles unverändert als Zeichen bestehen lässt und alle Parameter drumherum gehen in die Moderne. Grundsätzlich wäre es aber natürlich möglich, auch die Trophäe zu verändern. Bei Nymphenburg tun wir unser Bestes, um mit in die Moderne zu gehen, ohne die Historie zu ignorieren.
Im 18. Jahrhundert galt die Porzellan Manufaktur Nymphenburg als Prestigeobjekt des bayerischen Kurfürstentums – sogar das „Bayerische Königsservice“ wurde hier in Auftrag gegeben. Was macht die Fertigung auch heute noch besonders? Wie unterscheidet sich Nymphenburg von anderen Produktionsstätten?
Harding: Nymphenburg hat sich klar dazu entschieden, Manufaktur zu bleiben. Das heißt, dass hier händisch gearbeitet wird. Viele von unseren Zeitgenossen haben irgendwann aus Geldgründen auf eine maschinelle Fertigung umgestellt. Wir suchen immer nach außergewöhnlichen Entwürfen, die unsere Handfertigung unterstreichen und mit einer Maschine nicht umsetzbar wären.
Was unterscheidet Keramik denn von Porzellan?
Harding: Das Wort Keramik bezeichnet alle keramischen Materialien. Davon gibt es unterschiedliche Sorten: Es gibt Terrakotta, es gibt Steinzeug und eben auch Porzellan. In Italien gibt es naturgemäß Terrakotta, das einen niedrigen Härte- und Brenngrad hat. In Deutschland ist es das Steinzeug, das Graue, das man von Bierkrügen kennt. Porzellan ist eine seltenere Ablagerung. Die gibt es in Asien, zum Beispiel in China. Dort ist es ein Naturmaterial, in Europa muss man es extra mischen. In der Manufaktur Nymphenburg haben wir dafür unser eigenes Geheimrezept.
Was hat Sie dazu gebracht, mit Porzellan zu arbeiten? Und seit wann sind Sie Teil der Porzellan Manufaktur Nymphenburg?
Harding: Ich bin in Amerika aufgewachsen und hatte an der Universität eigentlich Business Management als Hauptfach und Deutsch als Nebenfach. Das tolle in Amerika ist, dass man auch andere Disziplinen besuchen darf. Ich habe mich relativ schnell in die Kunstabteilung geschlichen und war begeistert von der Keramikabteilung. Ich fand den Professor toll und habe dort jeden Kurs gemacht, den ich machen durfte. Als ich fertig wurde, bin ich über ein Stipendium nach München gekommen und habe hier die Kunstakademie entdeckt. Dort habe ich ein zweites Mal studiert – diesmal Kunst und Keramik. Um 1990 bin ich dann zur Porzellan Manufaktur Nymphenburg gekommen. Ich habe im Vertrieb angefangen, weil sie jemand Englischsprachigen gesucht haben. Ich fand die Firma sehr spannend und hatte von Anfang an vor, mich in die Manufaktur zu schleichen – und das hat geklappt. Dort habe ich dann die Fertigung der Awards, also auch des Bayerischen Filmpreises und des damaligen Fernsehpreises, betreut. So habe ich den Panther kennengelernt.
Sie begleiten die Panther-Trophäe nun schon seit rund 30 Jahren. Was war ihr bisheriges Highlight in Zusammenhang mit dem Award?
Harding: In meinem ersten Jahr durfte ich zur Preisverleihung des damals noch Bayerischen Fernsehpreises gehen. Ich war mit einem Freund dort. Auf der Bühne hat ein älterer Herr gesprochen und ich habe zu meinem Freund gesagt: Der ältere Herr ist sehr lustig. Mein Freund hat mir dann erklärt, dass das Loriot war. Ich kannte ihn natürlich nicht – als Ausländerin und neu in München. Mein Freund musste sehr über mich lachen.