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Blauer Panther

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Interview: „Sisi“

Der Kaiserin neue Kleider

Wie die Serie „Sisi“ einen Filmklassiker modisch modernisiert und wie Kostüme kameratauglich werden.

Wie angegossen: Damit die junge Sisi (Dominique Devenport) auch in der Serienadaption immer perfekt ausgestattet ist, mussten in kürzester Zeit über 60 Kostüme entstehen. (c) RTL+

Mit der Serie „Sisi“ legt die Produktionsfirma Story House Productions den Mythos um Kaiserin Elisabeth als High-End-Drama neu auf. Die RTL-Serie ist für den Publikumspreis beim Blauen Panther 2022 nominiert. Im Interview sprechen Produzent Andreas Gutzeit, Mitbegründer und Chief Creative Officer bei Story House Productions, und Kostümbildner Metin Misdik über die Modernisierung der Kostümgeschichte und über Kleider, die Geschichten erzählen.

Produzent Andreas Gutzeit von Story House Productions entwickelte die Serie. (c) SHP
Der kreative Kopf hinter den opulenten Kleidern der Kaiserin: Kostümbildner Metin Misdik (c) SHP M.Misdik.

Herr Gutzeit, wie erzählt „Sisi“ über die Kleidung Geschichten?

Andreas Gutzeit: Es gab in der Serie drei ganz wichtige Kostüme für Sisi. Da ist das schwarze Kleid. Sisi trauert darin um ihre erste große Liebe. Das ist natürlich Teenager-Trauer. Wir wollten unbedingt, dass es nicht so ein schwarzer Sack wird, sondern dass der Schwester Néné klar wird: Selbst in diesem schwarzen Kleid sieht Sisi ziemlich gut aus. Das zweite trägt sie, wenn sie beim Ball auf den Kaiser trifft, der nun plötzlich sie statt ihrer Schwester Néné heiraten will. Das Kleid muss natürlich jeden Zuschauer und jede Zuschauerin atemlos machen. Metin Misdiks Kleid war so hervorragend leicht, es war wie Champagner, der sprudelt. Und Hauptdarstellerin Dominique Devenport hat es dann auch so toll gespielt. Sie hat mit einer Gesichtshälfte geflirtet, mit der anderen hatte sie Angst. Da kommt die Geschichte perfekt zur Entfaltung, weil Kostüm, Regie und Darsteller sie genau richtig umgesetzt haben. Und als letztes haben wir noch das Hochzeitskleid. Dazu muss man nicht viel sagen, das ist natürlich der Hauptpreis.

 

Wie kamen Sie dazu, diese Kleider zu entwerfen, Herr Misdik?

Metin Misdik: Ich arbeite seit 22 Jahren als freier Kostümbildner für den Film. Zuvor hatte ich in der Masterclass von Vivienne Westwood studiert. Sie geht unter anderem von historischen Schnitten aus und formt sie auf zeitgenössische Mode um. Als mir Regisseur Sven Bohse am Telefon erzählte, dass er jetzt Sisi machen will, aber nicht historisch-biografisch, sondern mit modernem Konzept und bildgestalterisch neu erzählt, hat mich das sofort begeistert. Die ganze Vorbereitung war zwar zeitlich sehr knapp und dann gab es auch noch all die Schwierigkeiten mit Corona. Aber ich hätte zu dieser Herausforderung nicht nein sagen können.

Fünf Wochen Arbeit stecken im Hochzeitskleid der Kaiserin Sisi (c) RTL+
 

Sie sind also nicht ins Museum gegangen und haben die originalen Kleider von Kaiserin Elisabeth ausgeliehen. Wie sind Sie stattdessen vorgegangen?

Misdik: Das wäre auch gar nicht möglich gewesen. Und zwar nicht nur, weil die Museen keine Originalteile herausgeben. Vor allem haben sich die Menschen verändert. Die ganzen Proportionen sind heute anders. Das waren früher alles Minigrößen. Da hätte man einen Kinderfilm machen müssen, erwachsene Schauspieler:innen passen da heute gar nicht mehr rein. Von der Grund-Silhouette bin ich bei der Zeit geblieben: Schmale Taille, Korsage, voluminöse Röcke. Aber die ganze Stofflichkeit ist modernisiert. Die Lebzeit von Sisi heißt ja Biedermeierzeit, da wäre also alles bieder gewesen. Das war nicht das Konzept der Produktion, die ja unterhalten will. Man muss zudem beim Film technisch ganz viel mitdenken. Wenn ein Kleid beim Bewegen zu viele Geräusche macht, funktioniert die Tonaufnahme nicht mehr. Im Original wären es auch zu viele Schichten mit Unterröcken und so weiter gewesen, das hätte zu lange in der Ankleide gedauert.

 

Die Darstellerinnen wären bei einem langen Drehtag im original engen Korsett also umgekippt?

Gutzeit: Die wären noch nicht einmal ins Studio reingekommen! Früher waren natürlich die Türen der Hofburg breiter als unsere Studiotüren. Die sind nicht gebaut für die großen Röcke, die man damals getragen hat. Darum mussten sie die Röcke immer zur Seite hochklappen und sich quer durch die Tür zwängen.

Misdik: Wir haben die Röcke mit einem Durchmesser von etwa 1,50 Metern nicht ganz so breit wie im Original gemacht. Sie sollten bedienbar bleiben. Trotzdem durften die Schauspieler:innen aber nicht die gleiche Bewegungsfreiheit wie in einem Jogginganzug haben. Das ist auch eine wichtige Hilfe. Zum Beispiel hat Jannik Schümann, der Darsteller von Kaiser Franz, großen Wert darauf gelegt, dass wir seine Uniform wirklich so sehr auf seinen Körper zugeschnitten haben, dass er darin nur noch ganz gerade stehen konnte.

Vom Entwurf zum Kleid: Kostümentwurf von Metin Misdik (c) SHP M.Misdik
Einen Großteil der Kostüme entstand während des Lockdowns und musste einer Gipsform der Hauptdarstellerin angepasst werden. (c) SHP M.Misdik.
 

Wie viele Kostüme haben Sie für die erste Staffel kreiert?

Metin: Wenn wir nur von Sisi reden, waren es etwa 60 Kostüme. In dieser Staffel wurde eine größere Zeitspanne erzählt, von ihrer Jugend bis zu ihrer Mutterschaft. In dieser Epoche hat man sich morgens, mittags und abends umgezogen und als Kaiserin kann man natürlich nicht mehrmals das gleiche Kleid tragen.

 

Sie haben alle Kostüme neu geschneidert?

Misdik: Für die Hauptdarsteller haben wir nichts geliehen. In europäischen Verleihen findet man zur Biedermeierzeit immer nur eine, maximal zwei Stangen. Das ist wirklich ein Trauerspiel. Geschmacklich und auch von unserem Konzept her war davon nichts zu benutzen. Wir haben trotzdem sehr viel geliehen, weil wir bis zu 3000 Komparsen hatten. Dann gab es diverse Bauern, Adlige oder Soldaten. Wobei wir auch für die Schlachten die Kostüme selbst hergestellt haben, weil die verfügbaren Uniformen nicht in unser Farbkonzept passten.

 

Wie viele Arbeitsstunden stecken zum Beispiel im Hochzeitskleid?

Misdik: Da war viel Handarbeit mit den ganzen Bestickungen im Spiel und auch der 13 Meter lange Schleier war aufwändig. Insgesamt hat man an dem Hochzeitskleid fünf Wochen gearbeitet, allerdings nicht am Stück. Minimum sitzt man eine Woche an einem Kleid. Wir haben von Dominique zuerst eine Art Gipsform von ihrem Körper genommen. Denn durch Corona war es ja nicht möglich, sie immer schnell mal anzutreffen und es bei ihr auszuprobieren. Der Schneider von Sisis Kleidern saß in Berlin, Dominique in München. Wir mussten aber ganz genau wissen, wie die Brust, das Dekolletee oder die Taille zu funktionieren hat.

 

Wie geht man damit um, dass solche Kunstwerke beim Dreh auch mal beschädigt werden müssen?

Misdik: Wir haben natürlich versucht, uns so gut wie möglich vorzubereiten. Wie kann dieser Riss an der Brust funktionieren, wie viel darf man da sehen? Wie oft muss man die Szene drehen? Es gibt zum Beispiel eine Szene, in der Sisi in den Fluss fällt und komplett schmutzig zurückkommt, die vor der Szene gedreht werden musste, in der sie mit dem gleichen Kleid aufbricht. Darum musste es das Kleid mehrfach geben. Wir haben auch viel präpariert. In der Schnürung konnte man zum Beispiel mit Klettverschlüssen einen Riss verstecken, sodass man das Kleid sowohl intakt als auch mit Riss tragen konnte. Diese Tricks braucht man, sonst hätten wir das Kleid mindestens zehnmal schneidern müssen – wir hatten nur drei.

Kostüm und Körperhaltung: Die eng anliegende Uniform und das Korsett halfen Jannik Schümann (Kaiser Franz Josef) und (Dominique Devenport (Sisi) dabei, in ihre Rollen zu finden. (c) RTL+
 

Die aufwändigen Kleider werden sicher schnell zur Budgetfrage.

Gutzeit: Ja, natürlich! Man will das Maximale rausholen und trotzdem das Budget bewahren. Da gab es einige Diskussionen mit den Produzenten. Es war die richtige Entscheidung, nicht beim Kostüm zu sparen. So ist es gelungen, mit Hilfe von Metins Kostüm das zu transportieren, was wir als Geschichtenerzähler erzählen wollten: Eine junge Frau wird zu einer Kaiserin. Und sie wird zu einer Kaiserin, die sich in der letzten Folge auch noch mal richtig Schuld auflädt. Das im Bild so gut zu erzählen, ist auch über die Kostüme geleistet worden.

Misdik: Es wäre in dem kurzen Zeitrahmen und mit dem Budget eigentlich nicht machbar gewesen. Alle Kollegen, die ich treffe, können nicht glauben, dass es trotzdem gelungen ist. Das waren aber natürlich schon einige schlaflose Nächte.

Gutzeit: Das war alles im Frühjahr 2021. Da war Corona noch eine Bedrohung, die wirklich lebensgefährlich war. Da gab es noch keine Impfung, und es war natürlich auch ein persönliches Risiko, durch ganz Europa zu rasen und den Film zu drehen.

 

Wie hoch ist das Kostümbudget für eine Produktion wie „Sisi“?

Gutzeit: Das kann ich ganz klar beantworten: Es ist immer zu wenig!