Unsere Träger:
Image Alt

Blauer Panther

  /  2022   /  Interview: „Don’t Stop the Music Kids“

Interview: „Don’t Stop the Music Kids“

„Musiker ist man von Kindesbeinen an“

Executive Producerin Anna-Lena Zwez (Redseven Entertainment) im Gespräch über „Don’t Stop the Music Kids“

 

Das Factual-Entertainment Format begleitet 50 Berliner Schüler:innen im Alter von sechs bis zehn Jahren dabei, wie sie ein Musikinstrument erlernen oder ihre Stimme entdecken. Am Ende steht ein großes Konzert im Konzerthaus Berlin, das die Kinder gemeinsam mit Bühnen-Profis bestreiten.

 

„Mein Herz wurde von der Trompete verwickelt.“ Das Zitat der Zweitklässlerin Lilly Annabelle zeigt, mit wie viel Emotion die Schüler:innen an dieses Projekt herangegangen sind. Frau Zwez, haben Sie mit so einer Begeisterung gleich zu Beginn gerechnet?

Anna-Lena Zwez: Wir haben im Vorfeld viel darüber diskutiert, wie die Reaktionen der Kinder sein würden. Ich dachte mir schon, dass sie sehr neugierig sein würden, aber ich habe nicht erwartet, dass sie so schnell so emotional reagieren. Ich finde, sie haben toll zugelassen, dass die Musik sie berührt und das auch wahnsinnig gut artikuliert.

 

Eines der Kinder hat auch gesagt: „Musik ist für mich Kunst.“

Zwez: Ja, Kunst und Emotion. Einige haben auch gesagt, dass sie Musik hören, wenn sie traurig oder fröhlich sind oder die Musik sie manchmal auch wieder fröhlich macht. Das finde ich total spannend und es zeigt, welche Kraft Musik hat und wie wichtig sie für Kinder ist. Umso schlimmer, dass es in Deutschland noch ein Privileg zu sein scheint, überhaupt Musik- und Instrumentalunterricht zu bekommen. 

 

„Don’t Stop the Music“ zeigt, dass nicht nur das Geld für Instrumente und Unterricht fehlt, sondern auch die Lehrer:innen. Woran könnte das liegen?

Zwez:  Musiker:in ist man von Kindesbeinen oder zumindest von der Jugend an. Das heißt, es ist kein Beruf, den ich mir nach dem Abitur einfach so aussuche und mir überlege: Ich werde jetzt Musiklehrer:in. Man muss Vorkenntnisse haben, das ist total aufwändig. Und der Unterricht und die Instrumente sind zum Teil sehr teuer. Das ist wirklich schade, denn man hat bei dem Projekt gesehen, wie Musik die Kinder auf eine ganz andere Art und Weise bildet. 

 

Man merkt, mit wieviel Begeisterung Sie davon sprechen. Haben Sie einen persönlichen Zugang zu Musik?

Zwez: Ich hatte das große Glück, dass ich als Kind ein Instrument lernen durfte. Ich habe mit  fünf Jahren angefangen, Geige zu lernen und das hat mich tatsächlich sehr geprägt. Ich war auf einem musischen Gymnasium, habe in Musik Abitur gemacht und habe sogar kurz überlegt, Musik zu studieren. Deswegen ja, ich habe durchaus einen Zugang und darum war das Projekt für mich umso schöner. Dass ich das, obwohl ich beim Fernsehen bin, trotzdem irgendwie ein Stück weit begleiten und weitergeben durfte. 

Als Pate der Sendung begleitet Bülent Ceylan die Kinder vom Campus Efeuweg auf ihrem Weg zum großen Abschlusskonzert. (c) ZDF/Oliver Ziebe

Einigen Kindern in der Sendung war sofort klar, welches Instrument sie lernen möchten. Wissen Sie noch, was Sie damals an der Geige fasziniert hat?

Zwez: Ich habe im Radio ein Geigenkonzert gehört, gespielt von Anne-Sophie Mutter. Das hat mich so gefesselt, dass ich danach nicht mehr davon abzubringen war. Ich wollte das auch können. Dass eine Anne-Sophie Mutter nicht gerade erreichbar ist, ist klar. Aber hey, es war immerhin ein Ziel. 

 

Einige Schüler:innen haben gesagt, dass sie durch das Projekt neue Freundschaften schließen konnten und in dieser Zeit viel mehr unternommen haben. Woran liegt das?

Zwez: Es ist eine Alternative zu dem, was heutzutage immer mehr wird: Man sitzt viel zu Hause, guckt aufs Handy oder auf den Rechner. Natürlich, das gehört zur Zeit, das ist auch okay. Aber Musik ist eine Alternative. Musik verbindet. Es gibt ja auch diesen mittlerweile fast ein bisschen abgedroschenen Satz: Musik ist die Sprache, die jeder spricht. Das ist tatsächlich wahr. 

 

Die Dreharbeiten haben acht Monate gedauert. Die Lehrer:innen haben es auch in der Produktion erwähnt: Es war eine Herausforderung, das Projekt innerhalb dieser Zeit umzusetzen, oder?

Zwez: Total. Da haben sie auch wirklich Wahnsinniges geleistet. Einem Kind, das ein Instrument lernen möchte, ist nicht klar, dass man extrem viel üben muss und dass man nicht einfach in eine Trompete rein pustet und dann kommt ein Ton raus. Bei der Geige den richtigen Ton zu treffen, überhaupt den Bogen richtig zu führen, ist wirklich harte Arbeit und bedeutet üben, üben, üben. Das verlangt sehr viel Ausdauer und das ist gerade für jüngere Kinder oftmals eine Herausforderung – der man sich aber bei so einem Projekt annehmen kann. Und zum Zeitfaktor: Ein Instrument ordentlich spielen zu können, dauert ehrlicherweise mindestens ein Jahr. Und dann ist es ein lebenslanger Prozess, sich weiterzuentwickeln. Ich spiele heute noch Geige. Natürlich nicht mehr ganz so intensiv wie früher, aber ich würde niemals sagen, ich bin am Ziel angekommen. 

 

Neben dem Schulalltag ist das Üben manchmal gar nicht so leicht.

Zwez: Ja, auf jeden Fall. Aber wenn man fleißig übt, ist es irgendwann auch wie Radfahren. Klar, das ist eine Challenge, gerade wenn man in die Pubertät kommt, andere Sachen wichtiger werden und Druck aus der Schule dazu kommt. Gerade deswegen sollte es innerhalb der Schule angeboten werden, integriert werden und nicht noch on top kommen nach einem langen Tag, wenn man vielleicht gar nicht mehr kann. 

Üben, üben, üben! Die Kinder proben regelmäßig für ihr großes Konzert. (c) ZDF/Oliver Ziebe

„Don’t Stop the Music“ lief im ZDF, aber auch im KiKA. Welche Herausforderungen gibt es bei einer Produktion für Groß und Klein? Wie bleibt man auf Augenhöhe mit Kindern und Jugendlichen und schafft gleichzeitig ein Format, das auch für Erwachsene funktioniert?

Zwez: In der Theorie weiß man als Fernsehmacher, wie das funktioniert und welches  Handwerkszeug man in seinem Köfferchen hat: ein bisschen andere Musik, ein bisschen andere Schnitte. Aber die Augenhöhe ist natürlich ein wichtiges Thema. Für das ZDF haben wir den Bildungsaspekt, da haben wir die wissenschaftliche Ebene, was das Musizieren bei den Kindern bewirkt, herausgearbeitet. Das ist natürlich was ganz anderes beim Kinderkanal. Da haben wir das großteils weggelassen, aber trotzdem sollte man dem Ganzen nahekommen. Das war nicht ganz einfach. Da hat auch die Realisatorin vor Ort fantastische Arbeit geleistet und ganz toll mit den Kindern gearbeitet. 

 

Bei so einem Projekt ist das Endergebnis schwer abzusehen. War das Ergebnis, das erfolgreiche Abschlusskonzert im Konzerthaus Berlin, letztendlich eine Überraschung für Sie?

Zwez: Es war ganz klar unser Ziel. Ehrlicherweise habe ich nie daran gezweifelt, dass wir das schaffen. Das war natürlich eine Herausforderung. Das Schöne war, dass alle Beteiligten – sei es das Konzerthaus Berlin, die Musiklehrer:innen, die Promis und die Managements – die Besonderheit dieses Projekts erkannt haben. Alle haben so gut zusammengearbeitet und die Musik hat alle miteinander verbunden. Als wir dann da standen und das Konzert stattgefunden hat, waren wir alle kurz demütig, dass das wirklich funktioniert hat. Aber während wir so dabei waren, stand das für uns außer Frage, dass das funktionieren muss – für die Kinder, die hart daran gearbeitet haben, für die Schule, die das möglich gemacht hat, für die Lehrer:innen, die hart an sich gearbeitet haben.

 

Wissen Sie, ob einige der Kinder weiterhin musizieren?

Zwez: Wir haben während des Projekts schon viel in Bewegung gesetzt, damit es nicht mit unseren Dreharbeiten abgeschlossen ist, sondern auch nachhaltig, längerfristig an der Schule stattfinden kann. Wir haben zusammen mit der Schule Fördergelder angeschoben und auch die Berliner Stadtmusikanten, Bülent Ceylan und seine Stiftung machen es möglich, das Projekt nahezu kostenfrei für die Kinder weiterzuführen. 

 

Die Kinder wurden auf ihrer musikalischen Reise von bekannten Gesichtern aus der Fernseh- und Musikbranche begleitet. Entertainer und Musiker Bülent Ceylan, Sängerin Nadja Benaissa und Sänger Tom Neuwirth (Conchita Wurst) haben gemeinsam mit den Schüler:innen musiziert. Kann es sein, dass die Prominenz die Kinder gar nicht so sehr beeindruckt hat?

Zwez: Ja, das war denen egal (lacht). Das war wirklich fantastisch. Das war für sie natürlich schon aufregend, als sie dann erfahren haben, dass das Stars sind. Aber im ersten Moment war ihnen das total egal. Die Kinder haben aber natürlich schon gemerkt, dass das jetzt was Besonderes ist. Ein Junge hat beim Konzert gesagt: „Das war der schönste Moment meines Lebens. Daran werde ich mich immer erinnern.“ Und ich glaube das ist tatsächlich so. Daran werden sie sich für immer erinnern.