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Blauer Panther

  /  2023   /  Hintergrund: „FETT UND FETT“ Staffel 2

Hintergrund: „FETT UND FETT“ Staffel 2

Das Liebesleben junger Münchner:innen

Während die meisten seiner Freund:innen mittlerweile ein gesetteltes Dasein führen, fehlt Jaksch irgendwie der übergeordnete Plan. (c) Trimalfilm

Die Co-Creators Chiara Grabmayr und Jakob Schreier erhalten für ihre Serie „FETT UND FETT“ den Nachwuchspreis des Blauen Panthers. Ihre skurrile Comedy ist Generationen- und Stadtporträt in einem. Inklusive eines sympathischen, jedoch nicht unanstrengenden Helden.

Die Schwierigkeiten junger Großstadtbewohner:innen von heute sind vielfältig und komplex und dabei gar nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Dass dies filmisch äußerst prägnant gelingen kann, zeigt die ZDF-Neo-Serie „FETT UND FETT“ aus der Feder der beiden Co-Creators Chiara Grabmayr und Jakob Schreier. Als mitten aus dem Leben gegriffen, lässt sich die Handlung der 12 ereignisreichen Episoden bezeichnen, jede davon erzählt eine kleine abgeschlossene Geschichte, die sich in einen größeren Zusammenhang fügt. Den stiftet das Leben des verpeilten Protagonisten Jaksch (Jakob Schreier), der zwar ein kreativer, liebenswerter und allseits beliebter Zeitgenosse ist, dem es aber irgendwie am übergeordneten Plan fehlt. Jaksch ist gerade 30 geworden und während viele seiner Freund:innen mittlerweile ein ziemlich gesetteltes Dasein führen, vorgegeben von den fixen Koordinaten Arbeit, Familie, produktive Freizeitgestaltung, ist Jaksch in dieser Hinsicht wenig zielstrebig. Er hat hier und da fantastische Ideen, zum Beispiel schreibt er eifrig an einem Theaterstück, das an den Münchner Kammerspielen zur Aufführung kommen soll.

Hinter der Münchner Serie stecken die Multitalente Jakob Schreier und Chiara Grabmayer. (c) FETT UND FETT

Das schöne Lotterleben der Großstadtjugend

Wenn es aber ums konkrete Anpacken geht, macht Jaksch gerne im entscheidenden Moment einen Rückzieher. Summarisch lässt sich das auch für sein das Liebesleben sagen. Jaksch ist einer dieser Typen, für die das Nachtleben reichlich parat hält: Ein Träumer mit leuchtenden Augen, der einen im angeschickerten Kneipengespräch von seinen Welteroberungsplänen überzeugt. Und doch wacht er am darauffolgenden Morgen völlig leer auf, der Tatendrang versiegt und wird durch ein katerbedingtes Dröhnen im Kopf ersetzt.

Dem Schauspieler Jakob Schreier, der gemeinsam mit der Regisseurin und Co-Autorin Chiara Grabmayr die Idee zu Jaksch und der Serie „FETT UND FETT“ hatte, spielt den gerade-noch-so-jungen Großstadtmelancholiker mit einer Mischung aus hochsympathischer Zerknautschtheit und latent anstrengendem Ich-gebe-mich-geschlagen-Gestus. Ein bisschen macht der Charakter Jaksch den Eindruck, als müsse man ihn kräftig schütteln, um ihn daran zu erinnern, überhaupt am Leben teilzunehmen. Ganz allein ist Jaksch mit diesem Mindset in seinem Umfeld nicht. Seine WG-Mitbewohner, Freundinnen und sonstige Mitstreiter:innen hadern alle ein wenig mit dem Erwachsenwerden, beziehungsweise mit dem, was allgemein dafür gehalten wird. Ihr Betätigungsfeld sind hauptsächlich die Kneipen und Clubs im Münchner Glockenbachviertel, Untergiesing und im Westend. Die Serie fängt den Flair der bayerischen Hauptstadt dabei nicht nur im Nachtleben ein, sondern vor allem in den magischen Stunden um den Sonnenaufgang herum, wenn Jaksch und seine Freund:innen ein bisschen widerwillig nach Hause torkeln, weil sie mehr wollen: mehr von der Nacht, mehr vom Leben. Dass das schöne Lotterleben, das Jaksch und seine Clique zelebrieren, auch ziemlich nervenaufreibend sein kann, versteht sich von selbst. Bisweilen stellen sich sachte Fluchtgefühle ein. 

Zwischen Herumsandeln und Leistungsdruck: Die Serie fängt das Lebensgefühl der Millennials ein. (c) Trimalfilm

So wie in München scheint das Licht nirgendwo sonst

Eines Tages beschließt Jaksch seiner Affäre Hanna nach Berlin zu folgen. Hanna ist eine dieser überzeichneten Figuren, die der berühmte von Helmut Fischer verkörperte Serienheld Monaco Franze als „vom Schicksal gestreift, mit Drang zu Höherem“ beschrieben hätte. Hanna will jedenfalls kein Spießerleben führen und entschließt sich, ihre Musikerinnenlaufbahn in Berlin voranzubringen. Mitten in Neukölln, auf der Sonnenallee spuckt die U-Bahn den verloren dreinblickenden Münchner Jaksch aus. Das mit Hanna, das will er unbedingt, beschließt Jaksch, auch wenn es unüberbrückbare Differenzen in der konkreten Lebensplanung gibt. Natürlich geht das Liebesabenteuer im fremden Berlin schief. Und da ist Jaksch wieder ganz zurückgeworfen auf sein orientierungsloses und gleichzeitig so überschaubares Dasein. Natürlich auch auf sein München. Denn ein Münchner Großstadtmelancholiker zu sein, damit hat es immer eine ganz besondere Bewandtnis. So golden wie das Licht dort in den Morgenstunden scheint, scheint es nirgendwo sonst auf der Welt und so gemütlich ist es sowieso nirgends.

Die schönsten Münchner Begegnungen fangen die Serienschöpfer:innen Chiara Grabmayr und Jakob Schreier spielerisch, beinahe beiläufig ein. So zum Beispiel die Begegnung zwischen Jaksch und einer jungen Schulschwänzerin, die den verwuschelten Nachtschwärmer am Morgen seines 30. Geburtstags auf der Straße aufliest und dem ewig bedröppelten Kind ein paar ganz praktische Lebens- und Haltungstipps erteilt. Ein Tanzvideo auf dem Handy inspiriert die beiden zu einer eigenen Interpretation in den Straßen der Unteren Au. Es sind Szenen voller Leichtigkeit und auch einer Prise Wehmut. Jaksch mag vollkommen verloren wirken, aber seine Figur zeigt sich auch als höchst widerstandsfähig und zäh. „Was willst du noch in dieser kaputten Welt?“, fragt ihn eines Tages ein Herr. Jaksch zögert kurz und sagt dann: „Ja, ich wollte nur noch ein bisschen schauen.“ So wie dem Helden dürfte es bisweilen auch den Zuschauer:innen gehen. Wir haben wohl alle einen kleinen Jaksch in uns. Die Serie „FETT UND FETT“ lehrt uns auch in ihrer zweiten fulminanten Staffel diesen zerknitterten, doch stets freundlichen kleinen Zeitgenossen lieben zu lernen.