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Blauer Panther

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Hintergrund: „Auswärtsspiel“

Kunst als Politikum

Martin Groß erzählt ein geheimes Punk-Konzert der Toten Hosen in Ost-Berlin als deutsch-deutsche Kulturgeschichte.

 
Unauffällig geht anders: Die Toten Hosen mussten auf ihrem Roadtrip nach Ost-Berlin hoffen, dass sie bei der Einreise nicht auffliegen. (c) SWR/JKP

Die Punk-Band Die Toten Hosen machte sich in ihrem Gründungsjahr 1982 auf den Weg nach Ost-Berlin, um dort unter dem Radar der Stasi ein Konzert zu spielen. 40 Jahre später begleitet nun der Dokumentarfilmer Martin Groß die Band auf einem Roadtrip durch die Bandgeschichte und deutsch-deutsche Kulturpolitik. Für “Auswärtsspiel – die Toten Hosen in Ost-Berlin“ erhält er den Blauen Panther in der Kategorie „Kultur/Bildung“.

Von Düsseldorf nach Berlin sind es nur knapp 600 Kilometer, doch Anfang der 1980er-Jahre liegen noch Welten zwischen den beiden Städten. Das merkt auch die noch junge Punk-Band Die Toten Hosen, als sie sich 1982 auf in den Osten macht. Die Band hat sich gerade erst gegründet, es aber schon zu ein wenig Bekanntheit gebracht. Sie wollen den Gleichgesinnten in Berlin zeigen, was die Szene im Westen hergibt. Ihre Attitüde: „Schauen wir mal, ob wir den Punkrock da hinbringen können.“ Sänger Campino lacht heute über diese überhebliche Blauäugigkeit, denn der Punk war schon längst da.

Martin Groß bei der Preisverleihung des Blauen Panthers 2022 (c) Medien.Bayern Ralf Wilschewski

Die Serie vereint die Bandgeschichte mit einem politischen Zeitbild

Der Dokumentarfilmer Martin Groß hat sich in seinem Mehrteiler „Auswärtsspiel – die Toten Hosen in Ost-Berlin“ nun 40 Jahre später auf Spurensuche begeben und diesen Roadtrip erneut gemacht – gemeinsam mit den Toten Hosen und all den Helfer:innen, die das Konzert in der Berliner Erlöserkirche ermöglicht haben, allen voran die Berliner Punk-Band planlos, die damals als Support auftrat. Mit sichtlicher Begeisterung für die Musikszene und historischem Weitblick begleitet Groß die Toten Hosen nach Berlin. Dort trifft er Zeitzeug:innen wie den schillernden Musikmanager Mark Reeder, der West-Bands nach Ost-Berlin brachte, und DDR-Punks, die verschmitzt über die Tricks sprechen, mit denen sie an Mielkes Stasi vorbei verbotene Konzerte organisierten. Auch das Hosen-Konzert war offiziell als „kirchliche Veranstaltung mit musikalischer Untermalung“ angemeldet. Die diebische Freude an der Formulierung ist allen Beteiligten anzusehen.

Klug verschränkt Martin Groß mannigfaltiges Archivmaterial mit Interviews, füllt Materialücken mit animierten Szenen und Anekdoten der Bands. So entsteht sowohl ein lebhaftes Bild des aufsässigen Rebellentums und des Zusammenhalts innerhalb der Punk-Szene, aber auch ein politisches Zeitbild deutsch-deutscher Geschichte aus der Perspektive von Außenseitern. Was im Westen kratzbürstiges Auflehnen gegen das Establishment ist, gilt im Osten als bedrohliches Feindbild. Spätestens als sie durch die Grenzkontrollen müssen und hoffen, mit ihren bunten Haaren und den verlotterten Outfits nicht zu sehr aufzufallen, wird den Toten Hosen bewusst, was das bedeutet. Wenn sie auffliegen, droht allen Beteiligten Haft. Ein Auftritt mit staatlicher Genehmigung ist undenkbar und steht für die Band sowieso außer Frage – Punk ist rebellische Unangepasstheit und die macht erfinderisch.

40 Jahre nach dem ersten Konzert in der Hoffnungskirche kehrten die Toten Hosen zurück und feierten mit Fans und Zeitzeug:innen. (c) SWR/ECO Media TV/ Carolin Ubl

Subversiv-verschmitzter Geist und politischer Ernst laufen hier zusammen

Groß hat selbst den ehemaligen Stasi-Offizier vor die Kamera bekommen, der damals den Auftrag hatte, die Punk-Bewegung „auszulöschen“. Dieser klärt ausführlich über die Bespitzelungsmethoden auf und gibt Einblick in Geheimdokumente und die Geisteshaltung des DDR-Regimes. Der Funktionär bestätigt, was die Punks bereits ahnten: Sämtliche Mitglieder von planlos waren nicht nur aktenkundig, sondern sollten sogar als Spitzel angeworben werden – die Band drohte daran zu zerbrechen. „Sagst du einen falschen Ton, dann geschieht Du-weißt-es-schon.“ singen planlos sarkastisch und wissen um die Nähe der Bedrohung.

Die beiden parallel geführten Band-Karrieren erzählen von der umstürzlerischen Kraft, die Kunst als Politikum in einem autoritären Regime entfalten kann, auch über das Ende der DDR hinaus: Talent und künstlerischer Ausdruckswille gedeihen nur so lange sie auch ermöglicht werden. Groß benennt anhand dieser spezifischen Begegnung international leider auch aktuell anschlussfähige Zusammenhänge. Aus den West-Punks wurden die erfolgreichen Toten Hosen, aus den Ost-Punks schlichtweg: nichts.

„Auswärtsspiel“ dokumentiert diesen Balance-Akt zwischen subversiv-verschmitztem Geist und politischem Ernst. „Es ist meisterhaft, wie Martin Groß ausgehend von diesem gemeinsamen Referenz-Rahmen Punk deutsch-deutsche Geschichte erzählt und den Blick immer wieder weitet. Hier wird Zeitgeschichte Lebensgefühl,“ urteilt die Jury des Blauen Panthers und zeichnet „Auswärtsspiel“ in der Kategorie „Kultur/Bildung“ aus.